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Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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das Telefon in meiner Hand, sein Gesichtsausdruck schwankte zwischen Übelkeit und Verzweiflung.
„Verstärkung ist unterwegs?“ fragte er.
„Verstärkung ist unterwegs“, bestätigte ich.
Inzwischen waren die Fenster vollkommen beschlagen, so dass ich wieder über meines wischte. Dabei merkte ich aus dem Augenwinkel heraus, dass sich an der Hintertür etwas Dunkles, Schweres bewegte.
Dann wurde die Tür geöffnet, und Gerry Glynn sprang ins Auto und legte seine nassen Arme um mich.

38
    „Wie geht’s euch, Jungs?“ rief Gerry.
Phil hatte die Hand in seine Jacke geschoben, doch ich warf ihm einen Blick zu, damit er wusste, dass er im Auto nicht die Waffe ziehen sollte.
„Gut, Gerry!“ antwortete ich.
Ich blickte ihn durch den Rückspiegel an, er schaute freundlich und leicht belustigt drein.
Mit seinen dicken Pranken klopfte er mir auf den Rücken. „Hab ich dich erschreckt?“
„Ja“, erwiderte ich.
Er kicherte. „Tut mir leid. Hab euch beiden bloß hier sitzen sehen und mich gefragt, warum sitzen Patrick und Phil nachts um halb eins bei strömendem Regen in einem Auto auf der Dorchester Ave?“
„Wir unterhalten uns ein bisschen, Gerry“, erklärte Phil, doch wirkte sein lockerer Ton gezwungen.
„Oh“, sagte Gerry. „Na ja. Klasse Zeitpunkt dafür.“
Ich betrachtete seine nassen Unterarme.
„Willst du es mit mir verderben?“ fragte ich.
Er kniff die Augen zusammen, wie ich im Rückspiegel sehen konnte, und blickte dann auf seine Arme.
„Oje!“ Er ließ mich los. „Ups. Hab vergessen, dass ich ganz nass bin.“
„Hast du die Kneipe heute gar nicht aufgemacht?“ erkundigte sich Phil.
„Hm? Nein, nein.“ Er legte die Arme auf die Rückenlehnen zwischen unseren Kopfstützen und beugte sich vor. „Im Moment ist die Kneipe geschlossen. Ich hab mir gedacht, bei so einem Wetter, wer geht da schon vor die Tür?“
„Schade“, gab Phil zurück und stieß ein verunglücktes Lachen aus. „Hätte jetzt gut einen Drink gebrauchen können.“
Ich blickte aufs Lenkrad, damit niemand meinen wütenden Gesichtsausdruck sah. Mensch, Phil, dachte ich, wie kannst du nur so einen Spruch bringen?
„Für Freunde ist die Kneipe immer auf“, erwiderte Gerry fröhlich und schlug uns auf die Schulter. „Überhaupt kein Problem.“
„Ich weiß nicht, Gerry“, zögerte ich, „es wird ein bisschen spät für mich und…“
„Einen aufs Haus“, schlug Gerry vor. „Ich geh einen aus, Freunde. Ein bisschen spät“, wiederholte er und stieß Phil an. „Was ist mit dem Mann los?“
„Hm…“
„Los, kommt! Nur ein Glas, los!“
Er sprang aus dem Wagen und öffnete meine Fahrertür, bevor ich mich umgedreht hatte.
Phil warf mir einen verzweifelten Blick zu, der Regen fiel mir durch die geöffnete Autotür auf Gesicht und Nacken.
Gerry beugte sich vor: „Los, kommt, Jungens! Soll ich hier draußen ersaufen?“
Als wir zur Kneipentür liefen, behielt Gerry die Hände in der Bauchtasche seines Thermo-Kapuzensweaters. Um die Tür aufzuschließen, zog er nur die rechte Hand heraus. Im Dunkeln und bei dem Wind und Regen konnte ich nicht erkennen, ob er eine Waffe dabeihatte, aber ich hatte nicht vor, meine zu ziehen und hier auf der Strasse zusammen mit einem Nervenbündel neben mir eine Festnahme zu versuchen.
Gerry öffnete die Tür und bedeutete uns mit einer Handbewegung, an ihm vorbei hineinzugehen.
Ein schwaches gelbes Licht beleuchtete die Theke, der Rest der Kneipe lag im Dunkeln. Der Billardraum im hinteren Teil war stockduster.
„Wo ist denn dein Hund?“ fragte ich.
„Patton? Oben in der Wohnung, träumt süße Hundeträume.“ Gerry schloss wieder zu, Phil und ich drehten uns nach ihm um. Er lächelte. „Ich will nicht, dass irgendwelche Stammgäste vorbeikommen und sich ärgern, weil ich eben noch zuhatte.“
„Will er nicht“, wiederholte Phil und lachte wie ein Verrückter. Gerry sah ihn verwundert an und warf mir einen Blick zu. Ich zuckte mit den Schultern. „Wir beide haben schon seit ein paar Tagen nicht mehr ordentlich geschlafen, Gerry.“
Sofort nahm sein Gesicht einen weichen Ausdruck tiefster Teilnahme an.
„Das hätte ich fast vergessen. O Gott! Angie wurde letzte Nacht angeschossen, stimmt’s?“
„Ja“, bestätigte Phil, doch klang seine Stimme zu forsch. Gerry ging hinter die Theke. „Mensch, das tut mir wirklich leid. Aber sie kommt durch, oder?“
„Es geht ihr gut“, entgegnete ich.
„Bleibt sitzen, Jungs“, sagte Gerry und wühlte im Kühlschrank herum. Mit dem

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