Absender unbekannt
Ansichten vertrat, neben denen die Radikalfeministin Andrea Dworkin wirklich gemäßigt wirkte. Ihr Kurs dauerte dreieinhalb Stunden ohne Pause und fand zweimal pro Woche statt. Ms. Uver-Kett kam für den Unterricht montags und donnerstags aus Portland, Maine, herüber und verbrachte, soweit für uns ersichtlich, den Rest ihrer Zeit damit, hasserfüllte Briefe an den liberalen Talkmaster Rush Limbaugh zu verfassen. Angie und ich kamen überein, dass Ms. Uver-Kett viel zu sehr damit beschäftigt war, sich selbst in Gefahr zu bringen, als dass sie eine Gefahr für Jason darstellte. Daher strichen wir sie von unserer Liste.
Mclrwin Hall war ein weißes, im georgianischen Stil erbautes Gebäude, das vor einem kleinen Wäldchen aus Birken und leuchtend rotem Ahorn stand. Ein kleiner Weg aus Kopfsteinpflaster führte auf das Haus zu. Jason war in einer Horde von Studenten verschwunden, die sich durch die Eingangstüren gedrängt hatten. Dann hörten wir Schritte und Pfiffe, und plötzlich trat eine fast vollkommene Stille ein.
Wir frühstückten und kehrten dann zurück, um uns mit Eric zu unterhalten. Zu dem Zeitpunkt war ein vergessener Stift am Fußende der Treppe der einzige Hinweis darauf, dass an diesem Morgen Hunderte von Studenten durch diese Türen geströmt waren. Das Foyer roch nach Ammoniak, Desinfektionsreiniger und zweihundert Jahren intellektueller Transpiration auf der Suche nach Erkenntnis, nach weltbewegenden Entwürfen im staubschweren Licht der Sonnenstrahlen, die durch die Bleiglasscheiben gebrochen wurden.
Rechts von uns befand sich eine Empfangstheke, doch saß niemand dahinter. Hier in Bryce wurde offenbar erwartet, dass man sein Ziel kannte.
Angie zog ihr Jeanshemd aus und zerrte am Saum ihres T-Shirts, weil es am Körper klebte. „Allein um der Atmosphäre willen möchte man hier studieren!“
„Hättest du in der High-School besser nicht Geometrie geschwänzt!“
„Autsch!“ rief ich aus.
Wir stiegen eine geschwungene Mahagonitreppe hinauf, deren Wände mit Bildern ehemaliger Bryce-Rektoren überladen waren. Allesamt mürrisch dreinblickende Männer
mit bedrückten, angespannten Mienen, weil sie so viele geniale graue Zellen mit sich herumtrugen. Erics Büro befand sich am Ende des Ganges. Wir klopften einmal und hörten ein unterdrücktes: „Herein!“ von der anderen Seite der Milchglasscheibe.
Der lange, graumelierte Pferdeschwanz fiel Eric über die rechte Schulter. Er trug eine blau-braune Strickjacke, darunter ein jeansblaues Oxfordhemd und eine handbemalte dunkelblaue Krawatte, von der uns ein Robbenbaby herzzerreißend anstarrte.
Ich warf einen skeptischen Blick auf die Krawatte und setzte mich. „Wirst du mich vor Gericht bringen, weil ich jede Mode mitmache?“ fragte Eric. Er machte es sich auf seinem Stuhl bequem und wies auf das geöffnete Fenster. „Tolles Wetter, was?“
„Tolles Wetter“, stimmte ich zu.
Er seufzte und rieb sich die Augen. „Und? Was macht Jason?“ „Er ist ein vielbeschäftigter junger Mann“, erwiderte Angie. l „Als Kind war er ein Einzelgänger, ob ihr’s glaubt oder nicht“, lachte Eric. „Immer brav und lieb, hat Diandra nie auch nur den geringsten Ärger gemacht, aber er war von Anfang an introvertiert.“ „Jetzt nicht mehr.“
Eric nickte. „Seitdem er hier ist, ist er richtig aufgeblüht. Klar, es ist normal, dass Kinder, die auf der High-School mit den Sportskanonen und den Schickimickis nichts zu tun hatten, na ja, wenn die sich ein bisschen austoben an der Uni.“
„Jason tobt sich gründlich aus“, bekräftigte ich.
„Er wirkt einsam“, fügte Angie hinzu.
Eric nickte. „Das kann ich verstehen. Dass der Vater ihn verlassen hat, als er noch ganz klein war, erklärt das vielleicht ein bisschen, aber trotzdem gab es immer diese… Distanz. Wenn ich das nur erklären könnte. Wenn man ihn mit seinem ganzen…“ – er lächelte
– „Harem sieht und er nicht weiß, dass er beobachtet wird, dann ist er ein ganz anderer Mensch als der schüchterne Junge, der er früher war.“
„Was hält Diandra davon?“ wollte ich wissen.
„Sie bekommt es nicht mit. Die beiden stehen sich sehr nahe; wenn er mit jemandem über etwas Persönliches sprechen will, geht er zu ihr. Aber er bringt keine Mädchen mit nach Hause, er verliert kein einziges Wort über seinen Lebensstil hier. Sie weiß wohl, dass er etwas vor ihr verheimlicht, aber sie sagt sich, dass er halt gerne seine Ansichten für sich behält, und das respektiert sie.“ „Aber du
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