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Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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dem Boden und in der Spüle lagen Scherben von Tellern.
„Kaffee?“ fragte sie.
Ich suchte einen Handfeger und kehrte die Scherben zusammen. Angie stellte die Tasse auf den Tisch und bückte sich mit einem Kehrblech neben mich.
Ich sagte: „Die Sache mit dem Schlafen hast du immer noch nicht ganz verstanden, oder?“
„Wird viel zu wichtig genommen.“ Sie schaufelte ein paar Scherben auf und warf sie in den Mülleimer.
„Woher willst du das wissen? Hast du nie versucht.“
„Patrick“, mahnte sie, während sie eine weitere Ladung Scherben im Müll versenkte, „es ist nicht meine Schuld, dass du bis in die Puppen mit deinen kleinen Freunden gesoffen hast.“
Meine kleinen Freunde.
„Woher weißt du, dass ich mit irgend jemandem einen getrunken habe?“
Sie entsorgte die letzten Reste und richtete sich auf. „Weil dein Gesicht so grün ist, wie ich’s noch nie gesehen habe, und weil ich heute morgen eine unglaublich besoffene Nachricht auf dem Anrufbeantworter hatte.“
„Ah.“ Vage erinnerte ich mich an eine Telefonzelle und einen Piepton. „Was war das für eine Nachricht?“
Sie nahm wieder die Kaffeetasse in die Hand und lehnte sich gegen die Waschmaschine. „So was wie: Wo bist du, es ist drei Uhr nachts, es gibt Schwierigkeiten, ich muss mit dir reden. Den Rest konnte ich nicht verstehen, da hast du angefangen, Suaheli zu reden.“
Ich brachte Kehrblech, Handfeger und Mülleimer in die Abstellkammer und goss mir einen Kaffee ein. „Also, wo warst du um drei Uhr nachts?“
„Spielst du jetzt meinen Vater?“ Sie runzelte die Stirn und kniff mir in die Seite, direkt über die umgeschlungene Decke. „Du bekommst kleine Pölsterchen.“
Ich griff nach der Sahne. „Ich habe keine Pölsterchen.“
„Und weißt du, warum? Weil du immer noch soviel Bier trinkst wie damals in deiner Jugend.“
Ich blickte sie ruhig an und goss mir noch mehr Sahne in den Kaffee. „Beantwortest du jetzt meine erste Frage?“
„Wo ich letzte Nacht war?“
„Ja.“
Sie trank einen Schluck Kaffee und sah mich über den Rand der Tasse hinweg an. „Nein. Aber ich bin mit einem warmen, benommenen Gefühl und einem breiten Grinsen aufgewacht. Mit einem sehr breiten Grinsen.“
„So breit wie jetzt?“
„Noch breiter.“
„Hmm“, brummte ich.
Sie hievte sich auf die Waschmaschine. „Es gab also noch einen anderen Grund, mich um drei Uhr morgens blitzeblau anzurufen, als nur mein Sexleben abzuchecken. Was ist passiert?“ Sie zündete sich eine Zigarette an.
Ich fragte sie: „Kennst du noch Kar a Rider?“
„Ja.“
„Sie wurde gestern Abend umgebracht.“
„Nein!“ Angie riss die Augen weit auf.
„Doch.“ Mit soviel Sahne war der Kaffee ungenießbar. „Wurde auf dem Meeting House Hill gekreuzigt.“
Sie schloss kurz die Augen und öffnete sie wieder. Dann betrachtete sie ihre Zigarette, als könne die ihr etwas verraten. „Schon eine Ahnung, wer es getan hat?“
„Also, es wanderte keiner mit einem blutverschmierten Hammer auf dem Meeting House Hill herum und sang:
Yippie yeah, wie gerne ich Frauen kreuzige, wenn du das meinst.“ Ich goss meinen Kaffee in die Spüle.
Ruhig fragte sie: „Bist du jetzt mit dem Meckern fertig?“
Ich schenkte mir neuen Kaffee ein. „Weiß ich noch nicht. Ist noch früh.“ Ich drehte mich um, und sie rutschte von der Waschmaschine und stellte sich vor mich.
Ich sah Karas schmalen Körper in der Kälte liegen, angeschwollen und nackt, die Augen leer.
„Ich habe sie vorgestern vor dem Emerald getroffen. Ich hatte so ein Gefühl, eine Ahnung, dass sie in Schwierigkeiten war oder so, aber ich habe nichts gesagt. Hab’s verdrängt. „
„Ja, und?“ antwortete Angie. „Hast du jetzt schuld?“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Nein, Patrick“, versuchte sie mich zu beruhigen und streichelte mir mit ihrer warmen Hand den Nacken. Ich musste sie ansehen. „Verstanden?“
So ein Tod wie der von Kara war niemandem zu wünschen. „Verstanden?“ fragte sie noch mal.
„Ja“, erwiderte ich, „ich denke schon.“
„Du brauchst nicht denken“, bemerkte sie. Dann zog sie ihre Hand wieder weg, holte einen weißen Briefumschlag aus der Handtasche und reichte ihn mir. „Der klebte unten an der Eingangstür.“ Sie wies auf eine kleine Pappschachtel auf dem Küchentisch. „Und die stand davor.“
Ich wohnte in einer Wohnung im zweiten Stock, deren Vorder- und Hintertür mit Bolzenschlössern verriegelt sind, und habe meistens zwei Pistolen im Hause. Aber was potentielle Einbrecher

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