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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Atem vom größeren Wohl sprechen und den Charakter deiner Tat schildern?)
    Du hattest sicher Proviant bei dir, weil du stets so gut gerüstet warst: Wasser in einer Thermosflasche und Safari-Datteln, dein Lieblingssnack als Kind. Ich sehe dich trinken und kauen, zwischen Wasser und Obst abwechseln, dazwischen innehalten, um gleichmäßig zu atmen, um dich zu beruhigen, wie ich mich beruhige, indem ich den Puls kontrolliere und ihn zu langsamerem Schlagen zwingen will. Das waren alte Techniken, die du von mir gelernt hast, die ich von meiner Mutter gelernt habe, die sie von der ihren gelernt hat. Und wenn dort an der Kreuzung nur Männer gewesen wären, hätte das dich nicht gestoppt. Du hättest weiter versucht, dich in Sicherheit zu bringen, nicht aus panischer Angst, sondern aus Vorsicht, und hättest immer das Nächste bedacht.
    Es wäre tief in der Nacht gewesen, nach zwei Uhr, doch dein Plan wird klar gewesen sein, das Auto würde kommen, du würdest es erkennen am Ab- und Aufblenden seiner Scheinwerfer und wissen, dass es für dich bestimmt war. Der Plan hätte darin bestanden, dich heimlich zurückzubringen in ein Versteck, wo man dich nicht finden würde, bis man die intensive Suche aufgeben würde, dann über die Grenze nach Botswana oder Lesotho und später in ein noch weiter entferntes Exil. Doch vielleicht war der Verkehr zu spärlich oder etwas war passiert. Dein Gefährte, der Fahrer, war festgenommen worden – einer von denen, die verhaftet und eingesperrt wurden, bis sie zu existieren aufhörten.
    Die verabredete Zeit des Treffens verstrich. Du sahst auf deine Uhr, wusstest, dass du nicht warten konntest, bis die Morgendämmerung dich gefährdete, und begannst nach einem möglichen Ausweg zu suchen. Fahrer kannten Geschichten von Entführungen und Überfällen. Nur die Mittellosen reisten ohne Furcht. Wenn man nichts hatte, konnte man nichts verlieren außer dem Leben.
    Nach zehn Minuten tauchte ein Lkw auf und du tratst an die Fußwegkante, den Daumen in die Luft gereckt, das Haar im Dunkeln leuchtend. Der Lkw blendete ab und kam mit knirschendem Getriebe neben dir im Leerlauf zum Stehen. Am Steuer saß ein Mann, neben ihm ein Hund und ein Junge.
    Dieser Mann, ich stelle ihn mir ständig essend vor – die Art brutaler Kerl, dessen Appetit auf Essen seinen Appetit auf Konsum im Allgemeinen widerspiegelt, seine Gier, alles zu verzehren, was er in den Mund stecken kann, ein außer Kontrolle geratener Appetit, dem Mäßigung nicht nur fremd ist, sondern als feindliches Konzept gilt: Sich zu mäßigen heißt, sein Erleben der Welt zu beschränken. Als sein Lkw auf dein Zeichen hin anhält, Laura, sehe ich den Mann also mit den Resten einer Mahlzeit auf seiner bekleckerten Kleidung vor mir, während er den Jungen hungern lässt.
    Ich sehe dich beim Lkw, wie du die Rolle einer Hure zu spielen versuchst, um mitgenommen zu werden, und weiß, du wärst zu allem fähig, um an dein Ziel zu kommen. Dieses Spiel hast du manchmal mit deinem Bruder gespielt, die kleine Kokette, das sexuell frühreife jüngere Kind, hast ihn geneckt und dich im Pool über den kleinen Schwanz des Pubertierenden lustig gemacht und deine Frühreife war beängstigend. Du warst in allen Belangen über dein Alter hinaus. Werd nicht pampig, Laura! , blaffte ich, wenn du bis zur letzten Minute gewartet hast, bis du für die Schule gepackt und dich geduscht hattest und dann eingeschnappt warst, wenn ich dich zur Eile drängte. (Wie kann ich dich, die ich am meisten vermisse, störrisch nennen?) Ich sehe dich jetzt dort, in der Nacht, unter diesen Leuten, wie du deinen Rock raffst – nein, kein Rock –, wie du den obersten Knopf deiner Bluse öffnest oder sie in der Taille verknotest, um deinen Nabel freizulegen, eine elfenbeinfarbene Schärpe in der Dunkelheit, und dich in diesen Lkw hineinschmeichelst.
    »Wo willst du denn hin?«, fragte der Mann, aus einem geöffneten Fenster gebeugt. Er hatte eine lederne Haut und drahtiges Haar; das Fleisch seiner Oberarme, die aus einem ärmellosen Hemd kamen, war schlaff und sein blasser Brustkorb blitzte durch die Armlöcher.
    Vielleicht hast du den Kopf geschüttelt oder hast eine glaubhafte Geschichte aufgetischt. Oder vielleicht hast du einfach die Wahrheit erzählt.
    »Nach Ladybrand.«
    »Ich fahre nach Port Elizabeth. Bis dahin nehme ich dich mit. Spring rein.«
    Als du in das Fahrerhaus geklettert bist, ließ dich der Urin- und Hundegestank zurückschrecken. Der Junge rutschte näher an den

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