Absolution - Roman
Frage, die sie bei unserem letzten Treffen in Kapstadt von mir erwartet hatte, die Spur, von der sie glaubte, ich habe sie entdeckt! Es ist verführerisch, das Buch als nichts weiter als die Gelegenheit für ein ausführliches Geständnis ihrer Komplizenschaft bei einem Kapitalverbrechen zu lesen, nämlich dass sie leichtfertig eine Information weitergab, die zur Ermordung ihrer Schwester und ihres Schwagers führte. Die Hinwendung zur Geschichte könnte als eine Möglichkeit konstruiert worden sein, ihre Handlungen in einen größeren Zusammenhang zu stellen, wenn es nicht eine tatsächliche Verteidigung oder Entschuldigung für das, was sie getan hat, sein sollte: Schaut, wo ich hergekommen bin, damit ihr versteht, was ich getan habe, was ich tun musste. Die Geschichte betrügt, scheint sie zu sagen, sie macht uns eitel. Natürlich erlaubt ihr die Einordnung des Buches als Roman, jeder juristischen Frage nach ihrer Verantwortung für diese Todesfälle auszuweichen, wenn sie ihr je gestellt werden würde. Das ist ein Roman , könnte sie sagen, eine Version von mir, die nur oberflächliche Ähnlichkeit mit meinem historischen Ich hat. Verwechseln Sie nicht diese Person, das Individuum, das jetzt mit Ihnen spricht, mit der Person auf der Buchseite. Viele Menschen wollten meinen Schwager töten. Für mich gab es keine Rolle in diesem Stück. Im Impressum steht ein Dementi: Jede Ähnlichkeit zu wirklichen Personen, lebend oder tot, ist rein zufällig. Und das gilt auch für die Charaktere, die den gleichen Namen haben, wie mein Sohn Mark Wald, meine Sekretärin Marie de Wet und mein Exmann William Wald. Ich benutze diese Namen mit der Erlaubnis der lebenden Personen, die sie tragen.
Ich schreibe einen kurzen Brief und danke Clare für das Buch und lobe ihren Stil, während ich gleichzeitig immer noch etwas verwirrt bin; der »Einbruch«, der am Anfang des Buches von beträchtlicher Bedeutung ist, wird nie aufgeklärt. Aber da ist auch Müdigkeit auf seinen Seiten zu spüren und darunter pulsiert ein ratloser Zorn darüber, was aus der Welt geworden ist – genauer gesagt, was aus unserem Land nach all der anfänglichen Hoffnung geworden ist, der Erwartung, dass jetzt eine Gesellschaft kommen würde, die sich durch eine kollektive Anstrengung des guten Willens und der selbstlosen Liebe zu einem Modell für eine mögliche bessere Welt wandeln könnte. Clare scheint zu sagen, dass das Land sich stattdessen als ein grausamer Mikrokosmos der realen Welt, der Welt, wie sie wirklich ist, erwiesen hat, der Krieg, in dem jeder gegen jeden kämpft, Zähne und Klauen rot gefärbt, ein Wach-Albtraum von Ausbeutung und Korruption und schrecklicher Schönheit, der dazu verdammt scheint, nie zu enden oder auf nur eine mögliche Art zu enden. Es wäre verzeihlich, wenn man das Buch als besondere Spielart des Afro-Pessimismus lesen würde, obwohl ich vermute, dass das nicht ihre Absicht ist.
Doch nichts davon lasse ich in meine Antwort einfließen. Stattdessen sage ich ihr, dass ich mich auf ein Treffen im Mai in Stellenbosch und eine Fortsetzung unserer Unterhaltung freue. Eigentlich brauche ich keine weiteren Interviews zu machen. Was die eine oder andere offene Frage und den gelegentlichen Bedarf an einer Klärung von Ortsnamen angeht, könnte das alles von hier aus erledigt werden, per Telefon oder E-Mail. Die Wahrheit ist, dass ich mich danach sehne, sie zu sehen. Auf der Suche nach ihr durchblättere ich wieder das Buch und plötzlich entdecke ich die förmliche Widmung, die ich beim ersten Mal übersehen habe, da die Seiten zusammenklebten:
Für meine Kinder – für die, die ich nah bei mir behielt, und jene, die ich zurückwies.
Ich spüre, wie mir die Kehle eng wird und ein saurer Geschmack in den Mund hochsteigt. Vielleicht, denke ich, erinnert sie sich doch noch an mich.
ABSOLUTION
Als Mark das im Fenster gespiegelte Bild seiner Mutter anstarrte, wusste Clare, wenn sie jetzt abbrach, ehe die Sache klar war, würde die ungelöste Geschichte ewig zwischen ihnen beiden rumoren und Probleme bereiten. Sie zerrte an ihrem Brotstück, und weil sie merkte, dass sie immer noch keinen Appetit hatte, legte sie es auf den Teller.
»Du warst das perfekte Baby. Fast nie hast du geweint oder gequengelt. Du hast gelächelt und gelacht und hattest die größten Augen, die ich je bei einem Kind gesehen habe, als ob du mit aller Macht alles um dich herum aufnehmen wolltest. Ich glaubte, du würdest einmal Wissenschaftler, weil du
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