Absolution - Roman
sagen, was mit ihr geschehen ist.«
Die beiden Männer tauschen Blicke, wie um zu prüfen, ob sie sich noch einig sind über einen Punkt, den sie früher geklärt haben. Minuten verstreichen und es ist beinah dunkel, die Sonne geht in einem einzigen raschen Tauchgang unter, während sich Kühle über den Rasen ausbreitet. Ein Hagedasch schießt aus dem Nachbargarten hoch, die Schwingen wie aus gehämmertem Metall schlagen die Luft und er stößt einen einzigen grässlichen Schrei aus. Timothy starrt mich auf seltsame, abschätzende Art an.
»Hör zu, mein Freund – du hast keine Ahnung, worum du da bittest.«
Während des Essens plaudern wir vier, als gäbe es keine Vorgeschichte zwischen den Männern und mir. Timothy berät uns, was wir unternehmen und uns in Johannesburg anschauen sollen, wo wir nicht hingehen sollen, wie ernst wir die Warnungen hinsichtlich der allgemeinen und unserer persönlichen Sicherheit nehmen sollen. Lionel besteht darauf, dass alles nicht so gefährlich ist, wie uns weisgemacht wurde. Ich habe Mühe, mich auf die Unterhaltung zu konzentrieren, weil ich die ganze Zeit überlege, was Timothy wohl gemeint hat. Ich fange kurze Blicke von ihm auf, mit denen er mich studiert, wenn er sich unbeobachtet fühlt, als könnte er nicht glauben, dass ich der bin, der ich zu sein behaupte.
Als wir mit dem Essen fertig sind, entschuldigt sich Sarah wieder und erklärt, dass sie einen Beitrag fertigstellen möchte, ehe sie zu Bett geht – wir haben vorher besprochen, dass sie mir die Möglichkeit verschafft, allein mit den Männern zu reden. Es gibt keinen Beitrag, der fertiggestellt werden muss, keinen späten Freitagstermin, den sie einhalten muss.
Allein gelassen, verfallen wir wieder in Schweigen. Sie fragen mich nichts über mich, über mein Leben in den Jahren, seit ich sie zum letzten Mal gesehen habe. Wenn ich keine Fragen stelle, sprechen die Männer nicht – sie sind für mich eine Spezies Männer, der ich nicht angehöre. Sie strahlen eine raue Härte und Gefährlichkeit aus, einen Mangel an Domestikation und Vorsicht, als könnten sie einen Stuhl zerbrechen oder ein Glas zerschlagen, wenn es sie überkäme, und sich nichts dabei denken. So habe ich keinen der beiden in Erinnerung.
»Könnt ihr mir gar nichts über Laura sagen?«
Ihr Zögern verblüfft mich und ich frage mich, ob das nur eine besondere Spielart von südafrikanischer Unbeholfenheit ist, die ich vergessen habe – die Unlust zu reden, das Überbrücken des Schweigens mit belanglosem Geplauder oder das um den heißen Brei Herumreden, ohne je zur Sache zu kommen.
»Was genau möchtest du denn wissen, mein Freund?«, fragt Timothy und lächelt auf eine Weise, die nicht im Geringsten vergnügt ist.
»Ich möchte gern erfahren, was mit ihr geschehen ist.«
»Ach, eigentlich möchtest du das gar nicht«, sagt er und schüttelt rhythmisch den Kopf, sodass jede Drehung nach links oder rechts eine Silbe unterstreicht.
Lionel rutscht auf seinem Stuhl herum, spielt mit seinem Glas, räuspert sich. »Dabei kannst du es nicht einfach bewenden lassen«, sagt er zu Timothy. »Du solltest Sam erzählen, was er wissen will.«
»Ich habe sonst niemanden, den ich fragen kann«, sage ich. »Das heißt, ich wüsste nicht, an wen ich mich wenden oder wo ich anfangen sollte. Versteht ihr, ich frage nicht so sehr wegen meines Buches, sondern weil ich es selbst wissen möchte. Laura war eine Freundin. Sie war damals fast wie eine Mutter zu mir.«
»Nein, Mann, das ist alles so lange her«, sagt Timothy und wedelt mit den Händen, die Vergangenheit zurückscheuchend. Er erhebt sich und geht, immer noch kopfschüttelnd, hinter seinem Stuhl auf und ab. Lionel wirkt verlegen, sieht mich mit hochgezogenen Brauen an und lächelt gequält, als Timothy nach der Weinflasche greift, sich nachschenkt und mit lautem Schlürfen trinkt. Er nimmt ein Buch über Johannesburg aus dem Regal und schlägt es auf. Es ist klar, dass er etwas über Laura weiß.
»Wenn du es Sam nicht sagst –«, fängt Lionel an, doch Timothy unterbricht ihn.
»Wir haben die Auferweckung der Toten schon hinter uns, das ganze Brüten über der Vergangenheit, die Knochenbeschau. Es war für alle ermüdend. Es hat auch nichts Gutes gebracht. Es gibt darüber nichts mehr zu sagen, Sam. Diese Fragerei bringt doch nichts.«
»Ich möchte nur wissen, was ihr zugestoßen ist. Du brauchst mir nichts zu erzählen, ich akzeptiere, dass ich dich dazu nicht zwingen kann, aber wenn du
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