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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Schwarz, ein kurzes Aufleuchten von Blau und Orange. Du musst irgendwann ein rotes Kleid gehabt haben; jedes Mädchen in meiner Familie hat immer wenigstens ein rotes Kleid gehabt. Habe ich auch darin bei dir versagt?)
    Du hast dich von Sam entfernt, bist eine Schlucht hinuntermarschiert, wo du dich im Unterholz versteckt, die Shorts runtergelassen und gedrückt hast, bis dein Darm und deine Blase geleert waren. In deinem Rucksack befanden sich Papierrollen, auch Damenbinden, die du eingepackt hattest, weil dir klar war, dass es Tage wie diesen geben würde, dass du deinem Schicksal in besinnlichem Tempo entgegenreisen würdest; du wolltest nicht ohne die paar Hilfsmittel auskommen, die dich immer noch von den Tieren unterschieden, die stumm aus dem Busch auf deine Verrichtung schauten, haarige Gesichter, die deine Exkremente und dein Unbehagen erschnüffelten und belustigt zuschauten, als du deinen Kot im harten Boden vergrubst.
    Um die Mittagszeit wurde der Wind stärker und die schwarze Rauchwolke tauchte hoch über dir auf und teilte den Himmel.
    »Solange es Wind gibt, ist es gut«, hast du zu Sam gesagt, der besorgt hochschaute. »Wir müssen uns Sorgen machen, wenn der Wind sich legt oder wenn es zu regnen anfängt. Du brauchst keine Angst zu haben.«
    »Was ist es denn?«, fragte er und starrte die wachsende Himmelslast an, dann wieder dich und den Lkw.
    »Vieles.«
    Tiger sprang aus der Fahrerkabine und zeigte einen fleckigen Zahn. Er knurrte und stupste mit der Nase an Sams Bein. Der Junge trat zurück und drehte den Hahn am Standrohr auf, damit der Hund trinken konnte. Wo das Wasser hinfiel, entstand eine schlammig rote Pfütze und Tiger trank auch daraus.
    »Gehst du zur Schule?«, hast du gefragt.
    »Es sind Schulferien.«
    »Natürlich.« Es war Januar. Er verzog den Mund, stand da, die Hände in die schmalen Hüften gestützt, und starrte dich an.
    »Warum hast du an der Straße gewartet?«, fragte er in einem so vorwurfsvollen Ton, dass du plötzlich auf den Gedanken kamst, er könnte gefährlich sein.
    »Warum denn nicht?«
    »Weil Leute wie wir nicht am Straßenrand warten«, sagte er, »nicht mitten in der Nacht. Das hat Bernard gesagt.«
    »Vielleicht blieb mir nichts anderes übrig. Vielleicht wurde ich nicht, wie verabredet, abgeholt und mir blieb nichts übrig, als zu trampen. Hast du schon mal daran gedacht?«
    Sam schien das zu akzeptieren und drehte den Hahn zu, der mit nervender Hartnäckigkeit tropfte. Er steckte die Finger ins Loch und ließ die Tropfen darüberlaufen, was den Schmutz auf seinen Händen zu hellroten Narben werden ließ.
    »Machst du das jeden Tag?«, hast du gefragt.
    »Was?«
    »Auf Rastplätzen herumsitzen, während Bernard schläft.«
    »Schon eine Weile. Noch nicht sehr lange. Vielleicht nicht mehr sehr lange.« Und dann nickte er, als wäre das die richtige Antwort.
    »Wenn er nicht dein Vater ist, wo sind dann deine Eltern?«
    »Tot.« Der Junge sah dich an, seine Miene war missmutig, grüblerisch, er nickte noch immer, in einem fast zwanghaften Rhythmus. Er konnte seinen Körper schlecht steuern, er tat Dinge, die er nicht erwartete, benahm sich schlecht, selbst wenn er glaubte, er verhielte sich ruhig. »Bernard hat mich zu sich genommen, als sie gestorben sind.«
    »War er ein Freund deiner Eltern?«
    »Vielleicht ein Onkel. Ein Onkel oder Cousin. Ich bin vielleicht dein Onkel oder Cousin. Das hat er gesagt.«
    »Hat er ein Haus?«
    »Ja. Wir waren dort einmal. Ich habe auf der Couch geschlafen. Es gab nur ein Schlafzimmer in dem Haus und das war sein Schlafzimmer. Deshalb habe ich auf der Couch geschlafen. Und dann hat er gesagt, dass er einen Auftrag zu erledigen hat. Da sind wir am nächsten Tag aus dem Haus fortgegangen. Nachdem ich auf der Couch geschlafen habe. Und dann sind wir losgefahren«, sagte er, eine einstudierte Rede, Worte, an die er sich mühsam erinnerte. Vielleicht wusste er, dass etwas mit der Reihenfolge oder dem Inhalt nicht stimmte. Er schüttelte den Kopf.
    »Wie lange ist das her?«
    »Eine Weile.« Sam starrte dich an und in seiner Miene war nichts als blanke Verwirrung. Er verstand gar nichts, war fast einfältig. Er würde nichts aufklären. Seine Anwesenheit musste eine materiellere Bedeutung haben. »Ich will nach Hause. Weißt du, wie man dort hinkommt?«, fragte er.
    »Ich weiß nicht, wo dein Zuhause ist.«
    »Nein?«, sagte er und es klang überrascht. »Ich dachte, du würdest es vielleicht wissen.«
    Ohne das leiseste Geräusch

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