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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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sich auf der Windschutzscheibe niederschlug und den Scheibenwischern trotzte, die sich bemühten, Sicht zu schaffen. Wenn dieser Regen nicht aufhörte, würde es unmöglich sein, nachts zu fahren. Sam zog seine blutigen Finger auseinander, spuckte auf sie und rieb die Hände aneinander wie jemand, der ein Feuer zu entzünden versucht, dann bückte er sich tief, um sie auf dem rauen Teppich der Fahrerkabine abzuwischen und den Flor mit dem Finger zu bemalen. Als er dieses Spiel erschöpft hatte, setzte er sich wieder aufrecht, prüfte seine Hände und versuchte, die Bogen geronnenen Bluts unter den Fingernägeln zu entfernen.
    »Ich habe Hunger«, jammerte er.
    »Greif in meinen Rucksack. Iss etwas Obst.«
    Sam holte Datteln heraus und aß vier davon, wobei er deine Reaktion beobachtete, um sicherzugehen, dass er nicht mehr nahm, als ihm zustand. Er schaltete das Radio ein und schaute auf die Landkarte. »Wohin fahren wir?«
    »Den Weg zurück, den wir gekommen sind. In den Sturm hinein.«

1989
    Er besaß nur ein Foto, auf dem seine Eltern zusammen abgebildet waren, mit ihm in den Armen seiner Mutter, aufgenommen, als er erst ein paar Monate alt war, und er bewahrte es durch alles, was passierte, hindurch in einer Plastikfolie zwischen den Seiten eines Buches auf, damit es nicht beschädigt wurde. Auf dem Foto trägt seine Mutter Jeans und ein gelbes T-Shirt mit einem aufgedruckten grünen Männerkopf und sein Vater hat Shorts an und sonst nichts, weil es Januar war. Jeder konnte aus dem Bild entnehmen, warum sich die beiden ineinander verliebt hatten. Sie sind beide gebräunt, schöne Körper, schöne Gesichter. Was ist ein schönes Gesicht? Alles am richtigen Ort und von der richtigen Größe und glatte Haut, doch sein Vater hatte eine Narbe auf der Wange, eine Narbe, die er liebte. Sein Vater war stark und geschmeidig und der Junge küsste die Narbe seines Vaters, wenn er da war und ihn zu Bett bringen konnte, was nicht sehr oft geschah, wegen der Arbeit, die ihn den größten Teil jedes Tages aus dem Haus holte. Er erinnerte sich, wie diese Narbe auf seiner Zungenspitze schmeckte. Seine Eltern waren keine schlechten Menschen, dessen war er sich sicher, aber vielleicht waren sie nicht sehr schlau, obwohl sie Bücher lasen und alles über die Welt wussten.
    Als Bernard anhielt, wachte der Junge auf.
    »Ich werde dort drüben schlafen. Du bleibst im Fahrerhaus. Verriegle die Türen und lass niemanden außer mir rein. Verstanden?«
    »Was ist, wenn –?«
    Aber Bernard entfernte sich schon vom Laster und ging zum einzigen schattigen Fleck. Er hatte ein Handtuch und breitete es neben einem halb abgestorbenen Baum auf dem Boden aus und legte sich dann eine Zeitschrift übers Gesicht. Es war heiß im Fahrerhaus und der Junge schwitzte, deshalb ließ er die Fenster herunter. Sie befanden sich einen halben Kilometer abseits der Straße und es waren keine Häuser in der Nähe, nur freies Feld in alle Richtungen. Bernard hatte den Zündschlüssel stecken lassen. Der Junge konnte Auto fahren, weil sein Vater ihn auf den Schoß genommen hatte, aber Bernard wusste das nicht.
    Der Junge wartete, bis er Bernard schnarchen hörte, dann öffnete er die Lkw-Tür und versuchte auf den Boden zu pinkeln, ohne auszusteigen, doch es kam nicht viel. Im Fahrerhaus war nichts zu trinken und nichts zu essen. Es gab einen Waschtrakt, weil das ein Campingplatz war, doch der Junge hätte, um dorthin zu kommen, an Bernard vorbei gemusst. Er überlegte, wie lange er ohne zu trinken auskommen konnte. War es zwei Tage? Er hatte keine Uhr und auch im Lkw war keine Uhr, daher war die einzige Möglichkeit zu schätzen, wie lange er schon dagesessen hatte, die Sonne zu beobachten, aber selbst das half nichts. Er hatte dem Stand der Sonne nie viel Beachtung geschenkt, sodass auf diese Weise Tage verstreichen konnten und er es nicht bemerkt haben würde, wenn nicht die Nacht gekommen wäre. Aber er hielte es nicht aus bis zur Nacht.
    Es sah aus, als könnte es Mittag sein, und er öffnete wieder langsam die Tür, nahm die Schlüssel, schloss das Fahrerhaus ab und ging zum Waschtrakt. Sein leerer Magen knurrte und Bernard schnarchte und schwarz-weiße Schildraben kämpften über einer Abfalltonne, die lange nicht geleert worden war. Und über allem war der Wind zu hören, der den Staub umherwirbelte, und eine rotbraune Schicht davon lag auf Bernards Körper und sammelte sich auf dem Bodybuilding-Magazin, das sein Gesicht bedeckte. Ein Mann, der nackt war

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