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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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tauchten drei Frauen aus dem Busch auf. Sie kamen aus der Richtung der Schlucht. Jede von ihnen trug zwei Benzinkanister aus Plastik in den Farben Rot, Grün und Blau. Die Frauen nickten dir und Sam zu und machten sich daran, Wasser an der Standleitung abzufüllen. Du wechseltest mit den Frauen Worte, die Sam nicht verstand. Tiger knurrte an der Seite des Jungen, während die Frauen ihre Kanister fertig befüllten. Es gab noch einen kleinen Wortwechsel zwischen dir und den Frauen und höfliches Kopfnicken, eine Sprache und Umgangsform, die du als Kind bei Besuchen auf der Farm gelernt hast. Dann verschwanden die Frauen vom Rastplatz und gingen wieder in die Schlucht hinunter. Die schwarzen Wolken hatten die Sonne verdeckt, und obwohl deine Uhr erst 12.15 Uhr anzeigte, war es dunkel wie zur Abenddämmerung. Es waren noch viele Tagesstunden bis zum abrupten Sonnenuntergang, der schnellen Verfinsterung, die sich vom nordöstlichen Himmel ausbreitet und ein Lid über das Land zieht.
    »Sollen wir beten?«, fragte Sam.
    »Warum?«
    »Damit Gott die Wolken vertreibt.«
    »Das wird nichts bringen«, hast du geantwortet und versucht, nicht ungeduldig zu klingen.
    »Was meinst du damit?«
    »Was ich sage.«
    »Ich glaube, ich werde beten.« Der Junge kniete sich neben den Hund in den Staub, faltete die Hände und schaute zu den Wolken hoch, dann beugte er den Kopf, schloss die Augen und murmelte lange vor sich hin. Sein Gesicht war starr, in Andacht versunken, und sein Kopf nickte im Rhythmus des Gebets.
    »Das hilft nichts«, fuhrst du ihn an. »Entweder treibt der Wind die Wolken fort oder es regnet. Da können wir nichts machen. Beten ändert nichts. Wir können uns nur unterstellen, wenn es zu regnen anfängt, du kannst also mit Beten aufhören. Das ist bloß Unfug. Hör jetzt auf damit.«
    Doch Sam murmelte weiter und das hat dich genervt, bis du zu ihm gegangen und ihn so heftig geschüttelt hast, dass er in den Staub fiel. Als du das gemacht hast, hat Tiger dir die Zähne ins Bein geschlagen, Hundezahn traf auf Knochen. Mit deinem freien Bein hast du dem Hund vor den Kopf getreten, bis seine Kiefer losließen. Und dann hast du wieder zugetreten und dem Hund das Rückgrat gebrochen. Mit einem zischenden Winseln streckte sich Tiger auf dem Boden aus, bewegungsunfähig, aber noch am Leben. Du hast ihn an den Beinen unter einen Busch gezerrt, wo du ihn mit einem Stein auf den Schädel geschlagen und erledigt hast.
    Der Junge stand auf und Tränen kullerten als staubige Beulen die Backen herunter. Es wäre vernünftig gewesen, den Jungen und den Mann zu verlassen. Wegzugehen wäre die beste Wahl gewesen, den Frauen in den Busch zu folgen, Nebenstraßen zu benutzen und an einem entlegenen Ort aus dem Land zu fliehen. Mit der Tötung des Hundes hast du etwas getan, das Folgen haben würde, als hättest du eine Kettenreaktion in Gang gesetzt.
    »Wir könnten fortgehen. Bevor er aufwacht«, sagte Sam, zum Lkw schauend und dann zum Busch. Zuerst hast du gedacht, er hätte nicht verstanden, was mit Tiger passiert war, aber dann hast du es klar erkannt. Er hatte dich zur Retterin erwählt. Aber du konntest dieses Kind nicht nehmen und in den Busch gehen. Du konntest ihn nicht in einer Höhle aufziehen, ein Einsiedler. Du hast nur für eine Person genug dabeigehabt und Bernard würde dich verfolgen oder Leute schicken, die dich verfolgten, und das wäre das Ende von allem – nicht nur von deinem Leben, sondern auch dem Leben vieler anderer. Bevor sie dich töteten, würden sie dir die Namen aus dem Mund brennen, Silben aus deinen Fingernägeln ziehen, Vokale und Konsonanten aus deinen Nasenlöchern saugen, dich an ihre Kompetenz im Umgang mit Stahl und Draht, Elektrizität und Feuer erinnern.
    »Hat er eine Pistole?«, hast du gefragt.
    »Nein«, Kopfschütteln fast außer Kontrolle.
    »Nicht im Handschuhfach oder unter dem Sitz?«
    »Nein.«
    Du hast dich auf dem Rastplatz nach einem Stein umgesehen, der groß genug für die Aufgabe, aber nicht so schwer war, um unhandlich zu sein. Der für Tiger war zu groß, um ihn zum Lkw zu schleppen. Als du das Gewicht etlicher anderer Steine ausprobiert hast, legte sich der Wind und der Luftdruck änderte sich langsam. Eine Wetterfront zog heran – trockene Luft kam die Küste herauf, um über euren Köpfen auf die warme, feuchte Luft zu treffen, die aus der anderen Richtung heranzog. Seit mindestens einer halben Stunde war kein anderes Fahrzeug mehr vorübergekommen. Du hast deinen Stein

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