Absolution - Roman
hatte bewahren sollen.
Als es dunkel war, kehrte der Junge in den Lkw zurück und ließ den Motor an. Bernard bewegte sich im Schlaf. Der Junge legte den Gang ein und gab Gas. Er befürchtete, dass Bernard beim Starten des Motors aufwachen würde, doch dann waren die Räder auf ihm, bevor der Junge sich versah und bevor Bernard sich versah. Die Äste des halbtoten Baumes kratzten über die Windschutzscheibe und der Lkw kollidierte mit dem Waschtrakt, der erbebte und sich dem Feld zuneigte und beinahe zusammenbrach. Der Lkw war das Erbe des Jungen. Er nahm nur, was ihm gehörte. Er wusste nicht, was er tat.
Er legte den Rückwärtsgang ein, rollte zurück, über Bernard hinweg, und dann hinauf zur Straße und es knirschte weniger, als man hätte annehmen können. Es war ein großes Fahrzeug und Bernard war nur ein kleiner Mann, kaum größer als der Junge, doch so viel stärker. Der Junge ließ den Lkw nach vorn rollen und dann zurück. Einen Moment dachte er, vielleicht hatte er Bernard nur in die Erde hineingedrückt, und er schaltete die Scheinwerfer an und Bernard sah aus, als könnte er noch schlafen, außer dem Rosa auf den Lippen und der seltsamen Art, in der sich seine Arme und Beine bewegten wie bei einer Spinne.
Der Junge schaltete den Motor aus und ließ die Schlüssel im Zündschloss stecken und die Scheinwerfer angeschaltet und ging durch das gelbe Licht, um Bernard anzuschauen, und sagte: »Bernard? Bernard? Ist alles in Ordnung?« Doch Bernard sagte nichts. Das Rosa an seinem Mund wurde zu rotem Badeschaum und seine Augen waren offen, konnten aber nichts sehen, als der Junge seine Hand davorhielt. Wenn sie offen waren, dann war er vielleicht wirklich aufgewacht. Das Bodybuilding-Magazin lag zerfetzt auf dem Boden neben ihm. Der Junge beugte sich über ihn und tastete nach einem Puls, wie es ihm seine Mutter einmal gezeigt hatte, und prüfte, ob er noch atmete, und lauschte auf den Herzschlag, aber er wusste, dass Bernard keinen Laut mehr von sich geben würde, und der Junge war glücklich und dann war er überrascht darüber, dass er glücklich war, und weinte und schrie und stampfte auf den Boden. Ihm fiel kein Mensch auf der ganzen Welt ein, der sich etwas aus ihm machte.
Er setzte sich neben den Mann und nahm Bernards linken Arm auf seinen Schoß und hielt ihn lange, presste seine Finger gegen das leblose Handgelenk und schaute auf die Haare, die im Licht der Scheinwerfer golden schimmerten. Bernard trug einen Siegelring auf dem kleinen Finger. Der Junge streichelte den Arm des Mannes. Er konnte das Portemonnaie in Bernards Jeans sehen und zog es heraus und zählte das Geld. Dann zog er den Ring vom Finger und löste die goldene Armbanduhr und zog ihm die neuen Lederschuhe aus, die dem Jungen zu groß waren, doch er wusste, dass er bald hineinwachsen würde. Die Jeans und das Hemd waren ruiniert, deshalb ließ er sie an und legte das Magazin wieder über Bernards Gesicht. Er faltete Bernards Arme kreuzweise über der Brust und zog die Beine gerade. Es war niemand da, der hätte sehen können, was er tat, außer einer Krähe im Baum, und auch die schlief.
Der Fahrersitz im Lkw war nass und der Junge sah, dass auch seine Hosen nass waren, und er stellte sich eine Weile draußen hin, um zu trocknen, und sah zu, wie der Wind am Magazin zerrte und an den Haaren, die darunter hervorguckten. Er schob Bernards Uhr auf seinen eigenen Unterarm und den Ring an seinen rechten Ringfinger und das Portemonnaie in seine vordere Hosentasche.
Bernard hatte keine Familie, abgesehen von dem Jungen, es würde ihn also niemand vermissen, höchstens seine Freunde und die Leute, für die er arbeitete. Aber da gab es ein Problem. Der Junge konnte fahren, aber er hatte keinen Führerschein, und wenn jemand ihn am Steuer des Lkw sah, würde er die Polizei rufen, und wenn die Polizei ihn erwischte, würden sie ihn anhalten und Bernards Fahrerlaubnis prüfen und wissen, dass der Junge nicht der Mann war und der Lkw nicht das rechtmäßige Eigentum des Jungen war, obwohl Bernard der Halbbruder seiner Mutter war. Allein im Dunkeln zur Tankstelle zurückzulaufen war zu gefährlich, daher entschloss sich der Junge, die Nacht im Lkw zu verbringen und am Morgen zu überlegen, was zu tun sei, wobei er schon wusste, dass er sein Erbe würde aufgeben müssen, wenn er überleben wollte.
Er schaltete die Scheinwerfer aus und verriegelte die Türen und sah zu, wie die Wolken allmählich den Mond zudeckten. Er hatte seit der
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