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Absturz

Absturz

Titel: Absturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gstaettner
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Freiheit des zwanzigsten Jahrhunderts«, sag ich. »Hegel würde sagen, das Auto ist das Selbst. Und sobald ich mein Auto habe, fahre ich als Erstes in die Hauptstadt und komme dich besuchen.«
    »Abgemacht?«
    »Abgemacht.«
    Sie ist süß.
    Und? Wie ist die Geschichte weitergegangen?
    Na ja, lieber junger Mann, ich fürchte, ich muss dich enttäuschen. Wieder ein blindes Motiv. Wieder eine Sackgasse. Deinen ersehnten Gebrauchtwagen hast du recht bald erwirtschaftet: einen himmelblauen Käfer, der dreißig  PS  stark und achtzehn Jahre alt war, achtzehn Liter Benzin auf hundert Kilometer verbraucht und dich dreizehntausend Schilling gekostet hat. Noch einmal dieselbe Summe hast du binnen vier Monaten für Reparaturen ausgegeben, dann war das Vehikel endgültig kaputt.
    An der Reparatur des Schwimmers der Benzinuhr scheiterten die Mechaniker aber von Anfang an. Deshalb hast du immer einen Kanister Benzin auf der Rückbank mitgeführt, weshalb es im Fahrergehäuse immer signifikant nach Benzin gerochen hat, wovon du schnell süchtig geworden bist. Im Übrigen meinte es das Schicksal gut mit dir und nahm von Explosionen Abstand.
    Du wolltest dein Versprechen, das du vor allem dir selbst gegeben hast, einlösen, in die Hauptstadt zu fahren und Alma zu besuchen. Aber auf halber Strecke hatte es plötzlich keine Wirkung mehr, dass du mit der rechten Sohle das Gaspedal gedrückt hast. Dein himmelblauer Käfer wurde langsamer und immer langsamer und blieb schließlich am Pannenstreifen der Autobahn stehen. Der Mann vom Pannendienst, der nach einer Stunde kam, stellte fest, dass die Benzinpumpe kaputt war. Immerhin reparierte er sie notdürftig, sodass du von der Autobahn abfahren konntest und es bis in die nächste Kleinstadt zur Autowerkstätte geschafft hast. Die Reparatur dauerte einen Tag, und du musstest dir ein Zimmer nehmen. Am nächsten Tag bist du mit dem reparierten Käfer guten Mutes wieder auf die Autobahn gefahren, wo er nach wenigen Kilometern wieder langsamer wurde und stehen blieb. Derselbe Pannendienst, dieselbe Kleinstadt, dieselbe Werkstatt, dasselbe Problem, dieselbe Pension.
    Nach vier Tagen war dein letztes Geld verbraucht und du hast, ohne je ans Ziel gekommen zu sein, kehrtgemacht und bist zurück nach Hause gefahren. Die Heimfahrt verlief völlig problemlos und die Benzinpumpe funktionierte jetzt wie geschmiert. Trotzdem hast du beim Gebrauchtwagenhändler den himmelblauen Käfer eingetauscht. Die Hauptstadt hast du später noch oft und oft gesehen, Alma aber nie mehr.
    Der zweite Gebrauchtwagen ein gelber Kadett, der Schwimmer schwimmt, es riecht im Inneren nicht nach Benzin, bloß nach Tabak, er fährt und fährt und fährt, nicht eine einzige Panne in all den drei Monaten, ein wunderbares Gefährt, das hätte dich sicher bis in die Hauptstadt gebracht, aber die Hauptstadt war kein Thema mehr. Am Beifahrersitz Mireille. Die hast du in ihr kleines Zimmer mit Kochnische im Studentenheim chauffiert und bist über Nacht geblieben, Frühstück bei ihr, du hast den Vormittag angehängt, den Nachmittag und die nächste Nacht auch noch gleich. Zwischendurch kurz hinüber auf die Uni, da ein Seminar, dort eine Vorlesung und eine Audienz beim Obergermanisten. Der hat dich nichtssagend gemustert, sein Auge war kalt und öd, abweisend und abwesend. Sie sind vom Himmel gefallen? Sie kommen nicht aus der Hölle, Herr Möller? Dann haben wir bis auf Weiteres eigentlich keine Verwendung für Sie. Vom Himmel Gefallene sind hier nicht vorgesehen. Heute hält sich ja jeder, der ein, zwei gerade Sätze zusammenbringt, schon für einen Dichter! Besorgen Sie sich zunächst einmal eine Hölle, dann sehen wir weiter.
    Zurück zu Mireille, der Kaffee ist schon fertig. Bei Mireille hast du etwas getan, was du noch nie in deinem ganzen Leben getan hast: Du hast Geschirr gespült.
    Werde ich gewöhnlich?, hast du dich gefragt. Aber du hast dir gleich geantwortet: Nein, gewöhnlich werde ich deshalb noch nicht. Du bist immer noch ein anderer.
    Ein paar Tage vor Weihnachten spielt der berühmte Eishockeyclub der Stadt gegen Feldkirch tief im Westen, an der Grenze zur Schweiz. Das Spiel wird im Fernsehen übertragen, und Mireille und du, ihr haltet natürlich dem Club die Daumen, die Augen beider starr auf den Bildschirm gerichtet, während ihr miteinander schlaft. Das ist nicht romantisch, aber gemütlich und angenehm. Keine Haupt- und Staatsaktion. Du liegst hinter Mireille, und beim Stand von fünf zu drei gelingt dir der

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