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Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Block
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geschehen würde, wenn ich versuchte, ohne sie zu leben. Ganz gleich wo oder mit wem ich zusammen war, würde ich jede Nacht an sie denken. Jede Nacht würde ich mir ihr Gesicht vorstellen, mich an ihren Körper erinnern und mich fragen, wo sie war und mit wem sie schlief, was sie für ein Kleid trug und …
    Ein Mann ermordet eine Frau und verkündet: Wenn ich sie nicht haben kann, dann soll sie auch kein anderer haben – es ist eines der gängigsten Motive für Mord auf der Welt. Früher hatte ich das nie begreifen können. Jetzt fing ich an, es zu verstehen.
    Aber ich hatte entschieden, dass ich sie nicht töten konnte.
    Ich konnte nicht ohne sie und nicht mit ihr leben. Ich konnte sie nicht töten. Und ich hatte auf keinen Fall vor, mich selbst umzubringen. Mein Problem schien unlösbar.
    Wieder warf ich ein Fünfcentstück in den Spielautomaten. Ziemlich clever, dachte ich, dass ich von ganz allein auf die Lösung gekommen war. Ich zog am Hebel und blickte auf die rotierenden Scheiben.
     
    Später gingen sie noch in ein anderes Kasino. Es war Mitternacht, als sie es verließen, Mitternacht oder kurz danach. Sie hatten ein paar Drinks gehabt und waren augenscheinlich beide etwas beschwipst. Sie gingen zu Fuß, und ich folgte ihnen zum Roycroft. Es war das beste Hotel in Tahoe. Ich war mir ziemlich sicher gewesen, dass sie dort wohnen würden.
    Ich wartete draußen und betrat die Lobby erst, als sie schon im Lift auf dem Weg hoch in ihr Zimmer sein mussten. Ich sah mich um, aber diesmal fiel mir der allgegenwärtige Geruch nach Geld kaum mehr auf. Teufel, das Eden Roc war mindestens ebenso luxuriös. Und ich hatte dort die Rechnung sogar selbst bezahlt. Wenigstens fast. Jedenfalls wurde es immer schwieriger, mich zu beeindrucken.
    Ich entdeckte den Chefportier und ging auf ihn zu. Er musterte mich sorgfältig, von dem neuen Borsalino bis hinab zu Keiths Schuhen, die ich trug. Dann blickte er mir direkt in die Augen.
    »Das Paar, das gerade hereingekommen ist«, sagte ich. »Haben Sie es bemerkt?«
    »Kann schon sein.«
    Der hier kam direkt aus Hollywood. Ich lächelte sanft. »Ein ziemlich gut aussehendes Paar«, sagte ich. »Wissen Sie, ich könnte wetten, Sie haben keine besonders gute Beobachtungsgabe. So ein Paar geht an Ihnen vorbei, die beiden wohnen hier im Hotel, und Ihnen fällt es nicht mal auf.«
    Er erwiderte nichts.
    »Ich meine«, sagte ich, »ich wette mit Ihnen um zwanzig Dollar, dass Sie nicht einmal wissen, in welchem Zimmer sie wohnen.«
    Er überlegte. »Okay«, meinte er dann. »Achthundertvier.«
    Ich reichte ihm die zwanzig. »Das war ziemlich gut«, sagte ich. »Aber richtig beeindruckt bin ich noch nicht. Ich wette einen Hunderter, dass Sie keinen Schlüssel haben, mit dem man die Tür von Zimmer achthundertvier aufbekommt.«
    Beinahe hätte er gelächelt. »Kein Problem«, sagte er.
    Er verschwand und tauchte nach einer Weile wieder auf. Dann tauschte er einen Schlüssel gegen eine Hundertdollarnote.
    »Wenn es Ärger gibt«, sagte er, »wissen Sie nicht, woher Sie den Schlüssel haben.«
    »Ich hab ihn unter einem Stein gefunden.«
    »Genau«, sagte er. »Sie halten also den Mund, ja?«
    »Klar.«
    Er musterte mich noch einmal sehr genau. »Kapieren tu ich’s nicht«, meinte er.
    »Für hundertzwanzig müssen Sie das auch nicht.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Reine Neugier«, sagte er. »Die menschliche Komödie.«
    »Zu viel Neugier kann einem gefährlich werden.«
    Er hob wieder die Schultern. »Sind Sie ihr Mann?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Das hätte mich auch gewundert. Aber …«
    »Der Bursche, der bei ihr ist«, sagte ich. »Haben Sie ihn gesehen? Der mit dem breiten Kreuz und den schwarzen Haaren.«
    Sein Gesichtsausdruck verriet mir deutlich, was er von dem Burschen hielt.
    »Der ist ihr Mann«, erklärte ich. »Ich bin ihr eifersüchtiger Geliebter. Das Miststück betrügt mich mit ihm.«
    Er seufzte. Es war besser als ein Schulterzucken. »Wenn Sie mich nur verarschen wollen«, sagte er, »setze ich mich lieber vor den Fernseher. Das macht mehr Spaß.«
    Er hatte ein Recht auf seine Meinung. Ich setzte mich in einen Sessel in der Lobby und ließ ihnen Zeit, damit sie richtig in Fahrt kommen konnten. Die Decke war schalldicht, und ich zählte die kleinen Löcher in dem Material. Natürlich zählte ich nicht wie ein Idiot jedes einzelne Loch. Ich zählte die Löcher in einem der Vierecke und dann kriegte ich heraus, wie viele Vierecke an der Decke sind. Und dann

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