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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Geschenk.
    »Vielleicht habt Ihr recht, Thaddeus«, antwortete Leodan verspätet auf die Bemerkung des Kanzlers. »Vielleicht erweise ich Euch diese Ehre zu unrecht. Wir alle irren uns bisweilen. Aber was macht das schon?«
    Die Antwort des Kanzlers hörte er nicht mehr, falls dieser überhaupt antwortete. Als Leodan die Augen schloss, hatte er das Gefühl, gegen eine unsichtbare Wand gedrückt zu werden. Der Nebel hatte sich in der Zwischenzeit in ihm verdichtet und ihn vollständig ausgefüllt. Jetzt war der Moment gekommen, die alltägliche Welt loszulassen. Diesen Augenblick – den Augenblick, den er herbeisehnte – erlebte er stets als eine Art Druck, als läge er bäuchlings auf einem Stein und werde von einem stetig wachsenden Gewicht niedergedrückt. Und gerade wenn er meinte, das Gewicht nicht mehr zu ertragen, drang er in den Stein ein, verschmolz mit ihm und wanderte hindurch wie eine Flüssigkeit durch einen porösen Stoff. Auf der anderen Seite erwartete ihn Aleera, seine geliebte Gemahlin, die flüchtige Illusion, die ihm mehr bedeutete als das wahre Leben. Er näherte sich ihr voller Verehrung.

7

    Rialus Neptos glaubte, er habe eine neue Methode entdeckt, alle Personen zu überwachen, die die Nordfestung Cathgergen betraten und verließen. Dieses Wissen hielt er für unerlässlich für einen Gouverneur, zumal für jemanden wie ihn, dessen Macht auf so unsicheren Füßen stand. Er hatte angeordnet, in den Schmelzöfen am Fuße der Festung eine große Glasscheibe herzustellen. Dann hatte er einen Teil der Granitwand seines Arbeitszimmers herausschlagen und die Scheibe in die Lücke einsetzen lassen. Die Glasscheibe war mehr als mannshoch und so breit, dass er seine dünnen Arme ganz ausstrecken musste, um die Ränder zu berühren. Allerdings war sie nicht ganz fehlerfrei. Sie war ungleichmäßig dick, und stellenweise war das Glas milchig und von Luftbläschen durchsetzt. Doch an einigen Stellen war es vollkommen durchsichtig; Rialus hatte stundenlang gesucht, bis er sie alle gefunden hatte.
    Wenn er allein war, legte er die Stirn an die Scheibe. Meistens fühlte sie sich kalt an und verschlimmerte seinen Husten, ein Leiden, das seine Vogelbrust schon ein Leben lang quälte. Manchmal legte er sich sogar flach auf den Boden. Ein schmaler Streifen am unteren Rand der Scheibe verzerrte den Blick so, dass er den Eingang zum Kommandostab nach Belieben beobachten und sich einen Überblick über das Kommen und Gehen in Leeka Alains Reich verschaffen konnte. Die beste Sicht hatte er, wenn er sich auf einen Schemel stellte und ein Auge zukniff. Dann konnte er die ganze Westmauer und das Tor in ihrer Mitte überblicken. Auf diese Weise hatte er beobachtet, wie General Alains Soldaten unter Missachtung seines ausdrücklichen Befehls losmarschiert waren. Von der gleichen Stelle aus beobachtete er einige Wochen später auch das Eintreffen Maeanders, des zweitältesten Bruders der Mein.
    Rialus trat von der Glasscheibe zurück. Er fror schon wieder. Die Festung wurde von Heißwasserquellen beheizt. Ein kompliziertes System aus Wasser- und Luftrohren verteilte die Wärme in der ganzen labyrinthischen Festung. Die Baumeister von Cathgergen betrachteten dies als ein Meisterwerk der Baukunst, doch in Wahrheit wurde es hier nie warm genug. Bisweilen argwöhnte er, seinen Gemächern werde absichtlich Wärme vorenthalten, konnte es jedoch nicht beweisen.
    Er beschrieb einen Eineinviertelkreis um seinen Schreibtisch, trat an das Bücherregal und fuhr mit den Fingern über die Buchrücken, verstaubte Wälzer voller Aufzeichnungen, Buchhaltungsdokumenten und Verwaltungsakten, die seit der Einführung der acacischen Verwaltungshoheit geführt wurden. Sein Vater hatte diesen Akten nüchternen Respekt entgegengebracht. Diesen Respekt hatte er vergeblich auf seinen Sohn zu übertragen versucht. Mit Rialus war seine Familie erst in der zweiten Generation mit der Verwaltung des Mein betraut. Nach acacischen Maßstäben war dies eine kurze Zeitspanne. Nachdem die letzte Gouverneursfamilie das Amt abgeben hatte, war sein Vater zur Strafe für ein Vergehen, an das Rialus sich nicht mehr erinnern konnte, in den Norden entsandt worden. Inzwischen betrachteten die anderen Gouverneure es als selbstverständlich, dass die Neptos-Familie dieses Amt bekleidete. Die Akaran aber ignorierten sie nahezu. Es ärgerte ihn, dass man von ihm erwartete, in alle Ewigkeit für ein Verbrechen zu büßen, das niemand mehr benennen konnte. Ebenso

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