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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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einfallen und triumphieren. Und wenn er es nicht tun konnte, wie könnten sie es dann?
    Die Schlacht tobte auf den Zeltgassen, um die Kochfeuer, die Latrinen und die aufgestapelten Vorräte. Irgendwann gab Mena es auf, die Soldaten neu formieren zu wollen, und ließ ihren eigenen tödlichen Gelüsten freien Lauf. Sie gab den anderen ein Beispiel, und was für ein Beispiel das war! Sie drang tief in die gegnerischen Reihen vor, erfüllt von einer Blutgier und einem solchen lodernden Zorn, dass sie verbrannt wäre, hätte sie auch nur einen Moment innegehalten. Das Schwert, das Melio ihr zurückgegeben hatte, wirbelte wie mit einem eigenen Willen und tödlichem Ziel um sie herum. Sie brauchte ihm nur immer weiter in die gegnerischen Reihen zu folgen, denn sie wusste, dass sie sich von ihren eigenen Leuten fernhalten musste. Sie tötete zu schnell, um noch Freund von Feind unterscheiden zu können.
    Doch obwohl es Wut war, die sie vorantrieb, empfand sie keine Freude an dem Gemetzel. Ganz im Gegenteil. Es war ein Albtraum. In allem um sich herum sah sie Aliver. Während sie auf die Mein eindrosch, Gliedmaßen abtrennte, Haut von Gesichtern abschälte, Ohren durch die Luft wirbeln ließ und Bäuche aufschlitzte, sodass sich deren Inhalt in den Dreck ergoss, hatte sie ständig Aliver vor Augen. Sie wusste, dass sie einen Feind niedermachte – seinen Feind -, doch er war in jedem getöteten Mein gegenwärtig, in der Form ihrer Glieder, in den glasigen Augen und in den Stimmen, die ihren Schmerz hinausbrüllten. Es machte sie wahnsinnig. Es machte sie zu einem Wirbelsturm der Gewalt, als könne sie die Vorstellung vom gewaltsamen Tod ihres Bruders mit Blut auslöschen. Die Leichname, die sie um sich herum aufhäufte, zählten viele Dutzend. Wäre ihre Klinge nicht aus dem allerbesten Stahl geschmiedet gewesen, wäre sie stumpf geworden und verbogen, ehe der Tag endete. So aber war sie selbst am Abend noch scharf genug, um Schädel zu spalten und Muskeln und Knochen zu durchtrennen.
    Schließlich zogen die Mein sich zurück. Sie waren nicht geschlagen, nicht einmal zurückgedrängt worden. Dem Zustand des Lagers und den Bergen getöteter Acacier nach zu schließen, konnten die Mein sicher sein, die Schlacht am morgigen Tag endgültig zu entscheiden. Oubadals Halaly hatten sich als Erste dem Angriff der Mein entgegengestellt; jetzt hieß es, sie seien bis auf den letzten Mann getötet worden. Das war ein schwerer Schlag, denn in der Zwischenzeit hatten sie sich den Respekt selbst jener Stämme erworben, die sie zu Beginn des Krieges gefürchtet oder verachtet hatten. Jetzt waren sie ausgelöscht.
    Kelis, Alivers bester Freund, war von einem Speer am Bauch gestreift worden, eine ernsthafte Verletzung, die ihn ans Lager fesselte und ihm große Schmerzen bereitete. Wie viele würden im Laufe der Nacht noch sterben? Wie viele würden sich geschlagen davonschleichen, sich nach Hause flüchten und wünschen, sie hätten gar nicht erst an diesem Krieg teilgenommen?
    Als Mena zitternd und von oben bis unten blutverschmiert über das Schlachtfeld schritt, spürte sie die Blicke ihrer Kämpfer. Selbst Dariel, der zuvor einen ehrlosen Mord befohlen hatte, starrte sie staunend an. Vielleicht wurde ihnen jetzt erst bewusst, was für ein Ungeheuer sie in Wirklichkeit war. Am liebsten hätte sie sie angeschrien. Was glotzten sie denn so? Natürlich war sie eine Mörderin. Sie war Maeben. Sie würde immer Maeben sein. Sie würde es immer besonders gut verstehen zu wüten. Sie hatte Mühe, sich klarzumachen, dass sie nicht jeden Gefallenen eigenhändig getötet hatte.
    Später, im Zelt, in Melios Armen, seine Worte dicht an ihren Ohren, während sein Körper den ihren wiegte... da endlich fand sie genug Ruhe, um zu glauben, dass sie auf dem Schlachtfeld nicht immer wieder Aliver getötet hatte. Sie erinnerte sich, seinen blutüberströmten Leichnam gehalten zu haben. Er war so heiß gewesen, hatte Hitze verströmt wie ein Ofen. Sie hatte Rost auf der Zunge und in der Nase geschmeckt. Sie dachte an den schrecklichen Moment, als ihre Finger – als sie nach der Wunde tastete und die Schwere der Verletzung zu bestimmen suchte – versehentlich in den Schnitt hineingerutscht waren. Jedes Mal, wenn sie daran dachte, erinnerte sie sich daran, wie unglaublich weich und warm sich sein Fleisch angefühlt hatte. Noch nie zuvor hatte sie etwas so Weiches und Zartes gespürt. Und gleichzeitig hatte sie die übelkeiterregende Vorstellung gehabt, ihre

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