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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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des Königs gelangen würden, wurden sie auch nicht nach Waffen durchsucht, sondern lediglich beobachtet und ihre Bewegungsfreiheit auf bestimmte Bereiche beschränkt – sie waren Zuschauer, keine Teilnehmer. Der Geruch des Palasts war ihm zuwider, ein solches Durcheinander von Düften und Aromen aus den unterschiedlichsten Ländern. Es war genau so, wie Hanish es ihm geschildert hatte: Es wimmelte von Vertretern aller erdenklichen Nationen, die sich lächelnd vor ihren acacischen Unterdrückern verneigten. Hatte denn die ganze Welt ihren Stolz verloren? Die Menschen glichen Huftieren – Hirschen oder Antilopen -, die sich versammelt hatten, um den Löwen zu preisen, der ihre Kinder verschlang. Ein groteskes Schauspiel.
    Den ganzen Abend über hielt er sich in der Nähe des Eingangs auf, gab vor, sich in den sonderbaren Kleidern des Botschafters wohl zu fühlen, und nickte anderen grüßend zu, wenn sie seinem Blick begegneten. Mehrmals wandte er sich von Leuten ab, die Anstalten machten, ihn anzusprechen. Zweimal unterhielt er sich mit Männern, die ihn anscheinend gut kannten. Er hustete hinter vorgehaltener Hand und erklärte seine Schweigsamkeit mit einer Verkühlung. Die darin verborgene Ironie entging den Acaciern nicht. Er lebe schon zu lange auf der Insel, scherzten sie. Er werde allmählich selbst zu einem Acacier, der sich beim leisesten Lüftchen erkälte. Beide Männer verabschiedeten sich mit einem Lächeln von ihm.
    Die Anstrengung dieser Verstellungen erschöpfte ihn. Die ganze Zeit über schlug sein Herz wie wild. Schweißtropfen traten auf Nase und Wangen und strömten unsichtbar aus seinen Achselhöhlen hervor. Unter der Perücke bildete sich ein Film aus Feuchtigkeit. Für die Blicke, die ihn streiften, wirkte er jedoch gelassen. Als die Menge verstummte, ein Ausrufer um Aufmerksamkeit bat und der Monarch den Saal betrat, geschmückt mit einer goldenen Krone, einer Art Dornenkranz, der an den Namensvetter der Insel erinnerte – da wusste Thasren, dass er nicht mehr weit davon entfernt war, in die Geschichte seines Volkes einzugehen. Heute Abend würde er noch nicht versuchen, näher an den König heranzukommen. Dies alles diente lediglich der Vorbereitung; die eigentliche Tat wollte er erst am nächsten Tag vollbringen.

12

    Ohne dass sein Vater, seine Geschwister oder die Kinderfrau, unter deren Aufsicht er die Nachmittage verbringen sollte, etwas davon ahnten, schlüpfte Dariel Akaran häufig aus dem Spielzimmer und streifte stundenlang durch die Tiefen des Palasts. Mit diesen Streifzügen hatte er vergangenen Sommer begonnen. Als sein damaliges Kindermädchen an einem Fieber erkrankte, nahm eine ältere Frau ihre Stelle ein. Sie war drall und recht freundlich, träufelte sich aber gern etwas in den Tee und schlief dann stets ein. Dariel nutzte die Gelegenheit.
    Selbst wenn sie beim Aufwachen feststellte, dass er fort war, waren die labyrinthartigen Zimmerfluchten, die den Kinder vorbehalten waren, so weitläufig, dass sie stundenlang nach ihm suchen konnte, ohne zu argwöhnen, er könne sich fortgestohlen haben. Wenn er dann wieder auftauchte, verwickelte er sie auf der Stelle in ein Gespräch, klagte über Langeweile und bat sie, mit ihm zu spielen, entweder eines der viele Brettspiele oder mit Wurfpfeilen, Soldatenfiguren oder Holzschwertern... Für derlei Beschäftigungen jedoch fehlte der alten Frau die Energie. Deshalb überließ sie den Jungen immer häufiger sich selbst, und das war ihm gerade recht.
    Als er einmal eine Murmel aufheben wollte, die in dem Spalt zwischen seinem Kleiderschrank und der Wand verschwunden war, hatte er durch Zufall einen Geheimgang entdeckt. Der Schrank war ein gewaltiges Möbelstück. Er nahm den größten Teil der Wand ein, war aus massivem Mahagoni und für den Jungen so unverrückbar, als bestünde er aus dem gleichen Stein wie der Palast. Er zwängte sich dahinter, erst den Arm, dann ein Bein und schließlich den Oberkörper, sodass seine Brust gegen den Schrank und sein Rücken gegen die kalte Granitmauer gedrückt war. Die Finger nach der verschwundenen Murmel ausgestreckt, versuchte er, sich auf die verdrehten Knie niederzulassen. Er war so sehr auf sein Ziel konzentriert und so zornig über den hartnäckigen Widerstand von Schrank und Wand, dass er, als er endlich genug Platz hatte, um sich hinzuhocken und mit den Fingern im Staub zu suchen, keinen Gedanken darauf verschwendete, warum das so war.
    Erst als er die Faust um die Murmel geschlossen

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