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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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seitlich gestelltem Kopf. Leeka hielt nach etwas Essbarem Ausschau, das er ihm hätte anbieten können, doch es war nichts zu entdecken.
    »Hör zu«, sagte Leeka, »ich habe keine Zeit für so was. Falls du es noch nicht gemerkt haben solltest, dein Herr hat den Kopf verloren. Aber wir beide, wir könnten einander helfen. Es gibt da einen Ort, wo ich rasch hinkommen muss, was mit diesem Knöchel schwer werden dürfte. Und du... du siehst aus, als ob du von hier weg willst.«
    In der Bedächtigkeit, mit der das Tier dies alles aufnahm, lag so etwas wie Klugheit, andererseits war es aber kein vollständiges Begreifen. Als Antwort stampfte es auf das Eis. Leeka war sich seiner Schwäche bewusst, seiner dürftigen Leichtigkeit im Vergleich mit der Größe und Masse dieser Kreatur, mit ihren natürlichen Waffen und ihrem Panzer aus Fell und dicker Haut. Er starrte das Ungetüm mit der ganzen gereizten Verdrossenheit an, die er aufbringen konnte. Es sollte sich lieber nicht daran erinnern, dass es Leeka jederzeit mit dem Horn aufspießen und dann mit einem neuen Zierrat herumlaufen könnte. Oder dass es ihn nach Belieben über den Haufen rennen und zu Mus zertrampeln konnte. Mit diesem Tier wäre ein Kräftemessen sinnlos. Der Sieger stand so eindeutig fest, dass Leeka betete, das Nashorn möge auf einen Angriff verzichten. Dann hatte er einen Einfall.
    Er wandte sich ab, humpelte davon und kam gleich darauf zurück, die Faust in das Haar des toten Kriegers gekrallt. Dann schleuderte er den Kopf dem Nashorn entgegen. Er rollte holpernd über den Boden und blieb alsbald liegen. Die Kreatur betrachtete ihn und schwenkte misstrauisch den mächtigen Schädel von einer Seite zur anderen, als argwöhne sie eine Falle. Leeka probierte im Geist ein paar witzige Bemerkungen. Doch keine davon passte wirklich zu diesem Augenblick. Er ließ das Schweigen wirken. Das Tier hatte mit seinem beschränkten Verstand genug zu überlegen. Er würde ihm ein bisschen Zeit zum Nachdenken lassen.

18

    Aliver kleidete sich geradezu militärisch rasch für die Beratung an. Obwohl er allein in seinem Zimmer war, schüttelte er die Falten seiner Weste mit großer Akkuratesse aus, so als würden all seine Bewegungen von Älteren überwacht, die es darauf angelegt hatten, ihn bei einer Nachlässigkeit zu ertappen. Es war düster, da er die meisten Lampen gelöscht hatte; außerdem war es kalt, denn er hatte eines der großen Erkerfenster geöffnet. Er würde zum ersten Mal an einer Zusammenkunft der königlichen Berater teilnehmen, die wegen des Mordversuchs kurzfristig anberaumt worden war. Versuch , sagte er sich eindringlich. Nur ein Versuch. Obgleich er seinen Vater seit dem Anschlag vor zwei Tagen nicht hatte sehen dürfen, hatte Thaddeus ihm versichert, der König sei am Leben und kämpfe mit all seiner Kraft gegen den Tod. Im Moment könnten ihm nur die Ärzte helfen. Das kam Aliver absurd vor. Wie konnten Leodan Akarans Leben und das Schicksal des Reiches nur von so wenigen Menschen abhängen? Von einem mit einem Messer und ein paar anderen mit Tränken und Elixieren …
    Nicht dass Aliver niemals vor einer solchen Möglichkeit gewarnt worden wäre, doch bisher waren ihm bei derlei Gesprächen die Regeln der Thronfolge bloß als abstrakte Ideen erschienen, die erst in ferner Zukunft von Bedeutung sein würden. Sein Lehrer Jason hatte einmal gesagt, die gefährlichste Zeit für einen Prinzen seien die Tage und Wochen vor seiner Krönung. Schon häufig seien Prinzen von ihren engsten Beratern, von Freunden oder sogar von machthungrigen Verwandten getötet worden. Aliver konnte sich nicht mehr erinnern, was er darauf geantwortet hatte, gewiss aber hatte er abgestritten, dass ein solcher Verrat jemals bei den Akaran vorkommen könnte. Doch Jason hatte auch darauf eine Antwort gewusst. »Noch nie in der Geschichtsschreibung hat ein Land, ganz gleich wie stark es war, vollkommene Kontrolle ausgeübt. Entweder habt ihr Akaran diese Regel außer Kraft gesetzt, oder die Geschichte hat sich Zeit gelassen, bevor sie euch einholt.« Jason hatte sich dabei scherzhaft verneigt, ehrerbietig und freundlich, wie er es immer tat, wenn er dem Prinzen widersprach. Als er jetzt daran dachte, verspürte Aliver ein beklommenes Prickeln.
    Ein lautes Klopfen an der Tür ließ ihn zusammenfahren. Gleich darauf trat ein Knappe ein und hielt ihm auf den Handflächen das Schwert hin, das »Des Königs Vertrauter« genannt wurde. Der Prinz kannte die Klinge gut. Dies war

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