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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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die Waffe, mit der Edifus bei Carni gekämpft hatte. Der schwarze Fleck auf dem ledernen Heft stammte angeblich vom Blut des ersten Königs. Es hieß, er sei im Zweikampf mit einem Stammesführer gestolpert, habe die eigene Waffe verloren und nur deshalb überlebt, weil er die gegnerische Klinge mit der Hand abgefangen habe. Eine verwegene Tat, die zu Übungszwecken in eine mit der Handkante gegen die flache Seite der gegnerischen Klinge geführte Parierbewegung abgewandelt worden war. Leodan hatte das Schwert nur bei offiziellen Anlässen getragen, doch Aliver hatte schon häufig vor dem Podest im Ankleidezimmer seines Vaters gestanden, auf dem es zur Schau gestellt war. Er hatte mit den Fingern über den gefurchten, fleckigen Bezug des Hefts gestrichen, hatte die Hand darum gelegt und gehofft, seine Finger würden genau um den abgenutzten Griff passen.
    Einmal hatte er es von seinem Gestell genommen und es vor sich hingehalten, mit einer Hand am Heft und mit der anderen an der Scheide. Mit einer Drehung des Handgelenks hatte er das Siegel zwischen beiden gebrochen und einen oder zwei Zoll der Klinge ins Licht gleiten lassen. Weiter war er nicht gekommen. Später war Aliver sich dessen nicht mehr sicher, doch damals war ihm gewesen, als hätte die Klinge aufgeschrien, sobald Licht und Luft sie berührten. Und es war kein Freudenschrei. Es war reiner Kummer, kundgetan von gehärtetem Stahl. Er war überzeugt gewesen, der Raum sei voller Gespenster, die jeden Moment zornerfüllt Gestalt anzunehmen drohten. Er hatte etwas Falsches getan, hatte einen Gegenstand berührt, der ihm verboten, der noch nicht für ihn bestimmt war. Gleichzeitig beschlich ihn die Ahnung, dass die kriegerische Geschichte der Klinge auf eine Art und Weise grauenvoll war, in der man ihn noch nicht unterwiesen hatte.
    Jetzt hob er die Arme, während der Knappe ihm das Schwert umschnallte, eine Waffe, die bis zur Genesung seines Vaters als sein Eigentum galt. Obwohl die Klinge bei jedem Schritt gegen seinen Schenkel klatschte, bemühte er sich, sie mit angemessener Leichtigkeit zu tragen. Eigentlich hätte er erst mit siebzehn seinen Platz im Rat einnehmen sollen. Noch vor ein paar Tagen hätte er es als große Ehre betrachtet, inmitten der Generäle und Berater zu sitzen. Jetzt aber lasteten die Schuldgefühle deswegen in ihm wie ein scharfkantiger Stein. Er hatte tatenlos mit angesehen, wie der Attentäter seinem Vater in die Brust gestochen hatte. Dieses widerwärtige Geschöpf hatte seinen Vater einen Despoten genannt. Einen Despoten! Wo war die Vernunft darin? Er wusste, dass böse Menschen Worte zu ihren Zwecken verbogen und man nicht darauf vertrauen durfte, dass sie auch nur eine einzige Wahrheit von sich gaben, doch die Tatsache, dass der Attentäter diese Bezichtigung in aller Öffentlichkeit und mit solcher Selbstgewissheit vorgebracht hatte... Es verdross Aliver. Es brachte sein Blut zum Kochen.
    Er wollte zu diesem Moment zurückkehren und den Mann an der Kehle packen. Warum hatte er es nicht getan? Stattdessen hatte er nur immer wieder geschrien, jemand solle den Mann aufhalten. Er hätte die Wachen zur Seite stoßen können, wenn er gewollt hätte. Er hätte über den Tisch hinwegsetzen können. Er hätte so vieles tun können, worauf er jetzt vielleicht stolz wäre. Doch er hatte nichts getan. Bevor die Sonne am nächsten Tag aufgegangen war, hatte er die Szene und alle ihre möglichen Varianten hundertmal vor seinem geistigen Auge durchgespielt.
    Nichts davon nützte ihm etwas. Doch dadurch festigte sich lediglich seine Überzeugung, dass er mehr als jeder andere Schuld an der Wunde seines Vaters trug.
     
    Gemessen an der ausschweifenden Pracht der acacischen Architektur war der Beratungssaal ein beklemmend enger Raum, der kaum Platz für den ovalen, niedrigen Tisch in der Mitte bot, eine polierte Granitplatte, um die herum die zehn Berater des Königs saßen. Licht fiel durch ein einziges schmales Fenster hoch oben in der Südwand. Der helle Strahl fiel so auf den Tisch, dass er die Mitte der Platte beleuchtete und einen Widerschein auf die Gesichter der Berater warf. Der scharfe Kontrast, den dies ergab, machte die Wände zu einer schattenhaften Begrenzung, sodass Aliver das Gefühl hatte, sich in einem Verhörraum zu befinden.
    Als die Augen des Prinzen sich schließlich an das Licht gewöhnt hatten, setzte er sich nach kurzem Zögern auf den Platz, den sonst sein Vater einnahm. Er überlegte, ob er die Beratung eröffnen

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