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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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alle Möglichkeiten bedenken, und Julians Frage ist berechtigt. Vielleicht ist dies nicht das Werk von Hanish Mein. Vielleicht, aber meiner Erfahrung nach ist der offensichtliche Übeltäter meist auch der wahre Übeltäter. Die Mein sind ein altes Volk. Alte Völker haben ein langes Gedächtnis. Hanish glaubt vielleicht, im Sinne seiner Vorväter zu handeln. Er steht in Kontakt mit seinen Ahnen, und die dürstet es wie eh und je nach acacischem Blut. Jedenfalls glauben das die Mein. An diesem Irrglauben halten sie fest.«
    »Wir sind alle alte Völker, Thaddeus«, gab Relos zu bedenken. »Einigen von uns ist dies bewusst, anderen nicht. Manche können den Namen des Vaters ihres Vatervaters nennen, andere nicht. Doch in uns allen fließt noch das Blut des Ursprungs. Alter ist keine Entschuldigung für Verrat.«
    Ein Augenblick des Zögerns veranlasste Aliver, das Wort zu ergreifen. »Wir umkreisen das eigentliche Thema, ohne uns ihm zu stellen«, sagte er. »Bezweifelt einer von uns, dass dieser Mann – der Attentäter – dem Volk der Mein angehörte? Und dass er deren Sprache gesprochen hat? Hat er nicht selbst seinen Namen genannt?« Die Anwesenden antworteten mit Schweigen, anscheinend waren alle überrascht, den jungen Mann sprechen zu hören, und unsicher, was sie ihm entgegnen sollten. »Warum also den Nachthimmel anschauen und fragen, ob es vielleicht der Tag ist, der sich tarnt? Wir wissen, wer dies getan hat. Ein Mein hat meinen Vater mit einem Messer niedergestochen! Wir werden das Gleiche mit ihnen machen, aber mit mehr Nachdruck. Und es ist mir gleich, warum sie es getan haben. Eine Tat ist eine Tat, egal, welche Beweggründe der Verstand dahinter ersinnt. Sie müssen bestraft werden.«
    »Richtig, Prinz«, sagte Thaddeus. »Deshalb sind wir hier. Wir müssen irgendwie reagieren. Die Gouverneure haben gewiss ihre eigenen Vorstellungen, aber sie werden Führung von uns erwarten, unser Einverständnis mit jeglichem Handeln.«
    »Dann sind wir also hier, um zu entscheiden, wie wir angreifen sollen?«, fragte Aliver, durch seine eigene Kühnheit ermutigt. »Wie lange würde es dauern, bis unsere Streitmacht an die Tür von Tahalia klopft?«
    Thaddeus bat Schnitzer, den einzigen Marah-Hauptmann auf der Insel, um seine Meinung zu dieser Angelegenheit. Schnitzer war der Jüngste unter den Beratern, gerade mal Mitte dreißig. Er hatte das Glück, der letzte Spross einer Familie mit alter Kriegertradition zu sein, und seine Tüchtigkeit und sein Ehrgeiz hatten seine Laufbahn beschleunigt. Vor ein paar Jahren hatte er sich freiwillig gemeldet, die Armee gegen den Candovischen Aufstand zu führen. Dies war eine der wenigen Militäraktionen, deren Schilderungen nach Alivers Ansicht mehr Soldatengeschichten als Wahrheit enthielten, doch Schnitzer hatte ein Heer in der Schlacht befehligt. Nur wenige Acacier konnten das von sich behaupten. Gleichwohl gefiel es Aliver nicht, was er zu sagen hatte.
    Man könne einen Angriff auf die Mein nicht überstürzen, erklärte er. Man müsse ihr militärisches Können, ihre abgeschiedene Lage und das schwierige Terrain in Betracht ziehen. Die acacischen Streitkräfte seien weit verteilt, um überall im Reich für Ordnung zu sorgen, sodass man vor einem Feldzug die Truppen erst umgruppieren und verlegen müsse. Man könne anfangen, Einheiten aus den Provinzen abzuziehen, weitere Soldaten einberufen und zu Frühlingsbeginn bei Alecia Truppen zusammenziehen. Wenn Aushenia sich gefügig zeigte, könne man im Frühling, zur Tagundnachtgleiche, Truppen nahe der Gradthischen Lücke in Stellung bringen. Doch dies sei eine Verteidigungsmaßnahme. Man könne erst einen Monat später zum Mein-Plateau marschieren, und dann würde das Vorankommen durch den aufgeweichten Boden und die über die Ufer getretenen Flüsse erschwert, von den Insekten ganz zu schweigen …
    »Insekten?«, wiederholte Aliver. »Seid Ihr noch bei Sinnen? Mein Vater wurde von einem Attentäter der Mein niedergestochen, und Ihr redet von Insekten?«
    Schnitzer zog die buschigen Brauen zusammen. »Herr, habt Ihr schon einmal die winzigen Fliegen gesehen, die der Frühling im Mein hervorbringt? Sie schwärmen über das Land, in so dichten Wolken, dass schon Menschen daran erstickt sind. Außerdem stechen sie. Auch am Blutverlust sind schon Menschen gestorben. Das Schlimmste aber ist, dass sie Krankheiten verursachen, Fieber, Seuchen... Bei einem Feldzug gilt es, vieles zu bedenken, und für einen Soldaten gibt es noch

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