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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Gegenwart, dachte Maeander, war doch eine gesegnete Zeit, um am Leben zu sein.

17

    Leeka Alains Begegnung mit dem Numrek-Krieger begann als verblüffend verhaltene Angelegenheit. Er war so lange durch den Dreck marschiert, der den Weg der Horde kennzeichnete, dass er nachlässig geworden war. Erschöpfung lastete schwer auf ihm. Er schritt nicht mehr mit der grimmigen Entschlossenheit aus wie in den ersten Tagen. Die Eintönigkeit der Landschaft und die Einsamkeit narrten seinen Verstand. Er blieb stehen, um das Gelände zu überblicken und die Formen zu betrachten, die sich in der Ferne vom Schnee abhoben. Schon mehrfach hatte er Trugbilder an der Krümmung des Horizonts erblickt, und keine der flirrenden Erscheinungen hatte sich als wirklich entpuppt. Immer größere Teile des Tages verbrachte er in einer aus Erinnerungen errichteten Phantasiewelt. Fast hatte er den Zweck seines einsamen Marschs durch die Kälte verdrängt, hatte beinahe vergessen, dass er einem sehr realen Feind folgte, hatte das Massaker an seiner Armee vergessen. Das alles kam ihm wirklich wie ein Albtraum aus einer fernen Vergangenheit vor, kaum wie tatsächliche Ereignisse.
    Ohne sich viele Gedanken darüber zu machen, verließ er das Flachland und erreichte den Westrand des Ödlands. Das Gelände vor ihm war ebenso baumlos wie zuvor, wellte sich jetzt jedoch wie runzlige Haut. Hier und da kreuzten gefrorene Flüsse seinen Weg, noch unberührt vom Frühling. Jedes Mal, wenn er in eine Senke hinabtauchte, verlor er den Horizont aus dem Blick. Der Fährte der Horde jedoch konnte er mühelos folgen; sie führte schnurstracks weiter, so unbeirrbar geradeaus wie eh und je. Mit gesenktem Kopf stapfte Leeka voran.
    Und so kam er auf eine Anhöhe und schickte sich an, in eine Rinne hinunterzusteigen, die in ein paar Monaten von einem Fluss erfüllt sein würde. Die dunklen Umrisse vor dem weißen Hintergrund bemerkte er zwar, doch es dauerte eine Weile, bis er den Blick zu ihnen hob. Er hatte ein Grunzen vernommen, seit geraumer Zeit der erste Laut eines anderen Lebewesens. Es war ein Alarmruf, der Leekas Sinne schlagartig zum Leben erwachen ließ. Er erstarrte. Der Schlitten, den er hinter sich herzog, rutschte auf dem abschüssigen Hang noch ein Stück weiter und stieß ihm gegen die Fersen.
    Vor ihm befanden sich zwei lebende Geschöpfe und ein totes. Das Grunzen hatte eines jener haarigen Nashörner ausgestoßen. Es war nur etwa vierzig Schritte entfernt, absurd nahe, so nahe, dass Leeka sich vorstellen konnte, wie sich das struppige Fell anfühlen mochte. Er konnte die Wachstumsringe an dem Horn erkennen und sah die Verzierungen an den Schnallen des Sattels. Leekas plötzliche Nähe hatte das Tier anscheinend verunsichert. Es wich zurück und schwenkte den Kopf hin und her. Dicht hinter ihm hockte einer der fremden Eindringlinge vor einer Feuerstelle. Er schaute auf, zuerst zu dem Nashorn, das sich hinter ihm vorbeischob, dann bemerkte er Leeka. Warum der Mann hier war – ob er einen Auftrag zu erfüllen hatte, aus irgendwelchen Gründen nicht hatte mithalten können oder ein Deserteur war -, sollte Leeka nie erfahren. Eine Unterhaltung war ausgeschlossen. Bei dem Anblick, der sich ihm bot, drehte sich Leeka der Magen heftiger um als bei jedem Kriegsgräuel, das er jemals erblickt hatte.
    Der Numrek hielt gerade einen Festschmaus aus Menschenfleisch. Über einem Kessel, der von dem Pech erhitzt wurde, auf dessen Spuren Leeka bereits mehrfach gestoßen war, lag rücklings der Leichnam eines jungen Mannes, Arme und Beine waren abgespreizt, sodass Füße und Hände auf dem Eis ruhten, während der Rumpf gleichzeitig gebraten, gedünstet und gekocht wurde. Der Numrek hatte soeben die Hand gehoben, um eine Portion Fleisch und Innereien in die brodelnde Brühe unter dem Leichnam zu schaben. Er legte das Messer weg und richtete sich mit ausgebreiteten Armen auf, wie ein alter Mann, der sich anschickte, mit einer mühevollen Arbeit fortzufahren. Dann bückte er sich, suchte einen Augenblick herum und richtete sich erneut auf, einen Speer in der einen Hand und ein gekrümmtes Schwert in der anderen.
    Leeka streifte die Zugriemen des Schlittens ab. Sein Schwert hatte er vor ein paar Tagen abgeschnallt und am Schlitten festgezurrt. Jetzt zog er es aus der Scheide. Er hatte auch eine Armbrust und Bolzen dabei, doch der Numrek kam viel zu schnell auf ihn zu und schleuderte den Speer, der sich in den Proviantsack bohrte und den Schlitten umwarf. Leeka

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