Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
Vom Netzwerk:
sollte. Suchend sah er sich um und musterte die faltenzerfurchten Gesichter der Älteren, die seinen Blick erwiderten, sowie der anderen, die an ihm vorbeisahen. Er nahm sie nicht als lebende Menschen wahr, die sie waren, stattdessen hatte er den Eindruck, er betrachte Steinbüsten. Wie eröffnete man eine solche Beratung?
    Thaddeus Clegg nahm ihm die Aufgabe ab, indem er die Namen der ersten fünf acacischen Könige rezitierte und alle Anwesenden daran erinnerte, dass sie hier an einer Beratung allerhöchsten Ranges teilnähmen. Die Könige sollten ihnen ein Vorbild an Weisheit sein. Ihrem Beispiel sollten sie folgen, wenn sie sich mit den Wirren befassten, denen sie sich jetzt gegenübersahen.
    »Bevor wir uns den Dingen zuwenden, die wir hier besprechen müssen, möchtet ihr alle gewiss erfahren, wie es um den König steht.« In der Runde erhob sich halblautes Gemurmel. »Ich kann nur das wiedergeben, was die Ärzte mir gesagt haben. Der König lebt. Wäre er verschieden, hätten sie uns unverzüglich benachrichtigt. Allerdings wurde er mit Sicherheit vergiftet. Die Ärzte glauben, dass die Klinge, mit der er verletzt wurde, von den Ilhach stammt, dem alten Attentäter-Orden der Mein. Ich weiß – der Orden wurde von Edifus aufgelöst und geächtet. Aber trotzdem könnte es ihr tödliches Gift sein, das dem König die Lebenskraft raubt.« Der umherschweifende Blick des Kanzlers streifte Aliver, ruhte einen Moment lang auf ihm, ehe er fortfuhr. »Die Ärzte tun alles, was in ihrer Macht steht. Es kann sein, dass der König überlebt; vielleicht aber auch nicht. Wir müssen für beide Fälle gerüstet sein. Wie ihr seht, sitzt heute Prinz Aliver auf dem Platz seines Vaters. Heißt ihn willkommen, während ihr gleichzeitig darum betet, dass er den Stuhl schon bald wieder seinem Vater überlassen möge.«
    Aliver bemühte sich, in die Runde zu blicken und die Begrüßung zu erwidern, musste aber bald die Augen niederschlagen. Einige der freundlichen Worte hörte er mit gesenktem Blick.
    Während Thaddeus’ Sekretär seinen Bericht vortrug, musterte Aliver die Maserung der Tischplatte. Auf der ganzen Insel gebe es kaum jemanden, der die Identität des Attentäters bestätigen könne. Zufällig habe ein Beamter, der ein Jahr in Cathgergen gelebt und dort die Bücher geprüft habe, bekräftigt, dass es sich bei dem Toten um Thasren Mein handele. Allerdings war das nicht unstrittig. Die in Alecia ansässigen Vertreter der Mein hatten Brieftauben geschickt und geschworen, der Attentäter könne nicht Thasren gewesen sein. Sie hatten sogar angekündigt, unverzüglich nach Acacia in See zu stechen und ihre Unschuld zu beteuern. Allerdings könne dies eine Täuschung sein, denn der einzige offizielle Vertreter der Mein auf der Insel war verschwunden. Gurnal und seine Familie waren geflohen und hatten ein Haus voll toter Dienstboten zurückgelassen. Es sei alles, vorsichtig ausgedrückt, schwer zu deuten.
    Als der Sekretär geendet hatte, sagte Julian, einer der älteren Berater: »Das sind nicht genug Informationen, um Maßnahmen zu ergreifen.« Einige andere, die sich anscheinend bereits über die Älteren ärgerten, wiesen darauf hin, dass bislang noch niemand irgendwelche Maßnahmen vorgeschlagen habe. Julian fuhr unbeirrt fort: »Hanish Mein soll seinen Bruder in den Tod geschickt haben... und wozu – um einen Krieg vom Zaun zu brechen, den er nicht gewinnen kann? Ich kann weder glauben, was meine Augen gesehen haben sollen, noch, was ich seitdem in Erfahrung gebracht habe. Hanish ist kaum mehr als ein Knabe. Ich habe ihn vor ein paar Jahren bei den Winterfeiern gesehen. Da ließ er einen Flaumbart auf seinen Wangen wuchern, wie ein Junge, den es danach drängt, zum Mann zu werden.«
    Relos, der Befehlshaber der acacischen Streitkräfte und ein Mann, von dem Aliver wusste, dass sein Vater ihm vertraute, erwiderte: »Er ist kein Knabe mehr. Ich glaube, er ist jetzt in seinem neunundzwanzigsten Jahr.«
    Julians Blick streifte Aliver, dann wandte er sich an alle Anwesenden: »Falls Hanish Mein dahintersteckt, was sind seine Beweggründe? Was hat er vor?«
    »Das können wir nicht wissen«, meinte Chales, ein weiterer älterer Soldat. »Julian, Eure Friedensliebe ist wohlbekannt, aber nicht alle Menschen sind so sanftmütig wie Ihr.«
    »Und Knaben neigen zu Unbesonnenheit«, ergänzte Relos. »Zu Torheiten.«
    Thaddeus kam Julians Entgegnung zuvor. »Niemand hier will die Nacht zum Tag erklären«, sagte er. »Wir sollten

Weitere Kostenlose Bücher