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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Seiten und am Hinterkopf kurz geschnitten. Nur seine Zöpfe fielen ihm auf die Schultern, insgesamt drei, zwei davon mit Karibuhaut umwickelt, einer mit grüner Seide. Sein Gesicht schien zu dem Zweck gemeißelt zu sein, alle Aufmerksamkeit auf seine Augen zu lenken: die breite Stirn mit den haardünnen Falten, die schrägen Wangenknochen, die am oberen Rücken etwas abgeflachte Adlernase. An einem Nasenflügel hatte er eine winzige Narbe. Seine Haut war glatt und milchig weiß, nirgends mehr als direkt unter den Augen. Fiel das Licht in einem bestimmten Winkel auf diese Stelle, so leuchtete die Haut regelrecht, was die grauen Augen darüber betonte und ihnen einen Ausdruck verliehen, der von Fremden häufig mit Verträumtheit verwechselt wurde.
    Der Soldat, der Hanish gegenüberstand, war um einen Kopf größer als der Prinz, ein langgliedriger Mann, der sich trotz seiner Größe gut hielt. Er war äußerst muskulös, und sein Haar hatte die leuchtend blonde Farbe, die sein Volk so liebte. Zum Zeichen, dass er diese Schritte schon früher getanzt und überlebt hatte, trug er zwei mit grüner Seide umwickelte Zöpfe. Er war ein geachteter Krieger, der in den Jahren, da ihre Pläne gereift waren, neben Hanish gesessen hatte. Unter Hanishs Aufsicht hatte er die Ausbildung der geheimen Armee überwacht. Erst jetzt, unmittelbar vor dem Angriff, trieb ihn sein Ehrgeiz dazu, seinen Häuptling herauszufordern.
    Im Halbkreis stand eine Handvoll Gehilfen um die beiden Kämpfer herum, außerdem Offiziere des Mein, der oberste Maseret-Lehrer und mehrere Punisari, Angehörige der besonderen Kampftruppe, die hier als königliche Leibwächter zugegen waren. Des Weiteren waren zwei Priester der Tunishni anwesend. Der eine wartete darauf, die Leiche des unterlegenen Tänzers in der heiligen Kammer verschwinden zu lassen, auf dass er sich unverzüglich zu seinen Ahnen gesellen könne. Der andere würde den königlichen Ritus vollziehen, falls der Herausforderer siegen und Hanish als Häuptling ablösen sollte. Haleeven, Hanishs engster Vertrauter, stand am Rand der Gruppe. Nach den Maßstäben der Mein war er ein kleiner Mann, jedoch so stämmig und kräftig wie ein Bär, mit einer vorstehenden, von Frostbeulen gekerbten Nase und einem roten Netzwerk von Äderchen auf den Wangen. Er war der Onkel des jungen Häuptlings.
    Außerhalb dieses inneren Kreises wimmelte es im Calathfels von Kämpfern. Tausende Soldaten hatten in voller Rüstung Aufstellung genommen, die Waffen in Händen oder auf den Rücken geschnallt, gut zehntausend blaugraue Augenpaare. Jeder von ihnen hatte flachsfarbenes Haar, das sie fast bis zum letzten Mann lang und verfilzt trugen, wie es bei den Mein-Kriegern Sitte war. Dies war kein besonders ungewöhnliches Ereignis, doch es brachte jedes Mal das Blut all derer in Wallung, die das Glück hatten, dabei zuschauen zu dürfen. Hanish hob als Antwort auf ihre Anfeuerungsrufe die Arme. Er wusste, warum sie so laut schrien, und wollte ihnen zeigen, dass er als einer der Ersten unter ihnen an den Maseret glaube. Ein starkes Volk brauchte einen starken Führer, der sich nicht davor fürchtete, auf die Probe gestellt zu werden. Stumm forderte er sich auf, seine Liebe zum Leben, seine Angst vor dem Tod und all sein Begehren loszulassen. Er ließ alles los, was geringere Männer anfällig für Fehler machte, auf dass er besser kämpfen und gesegnet sein würde, sich all diese Dinge später wieder ins Gedächtnis zu rufen.
    Mit langsamen Tanzbewegungen glitten die beiden Männer in Reichweite, einer trat auf den anderen zu, dann wichen sie wieder zurück und tänzelten von einer Seite zur anderen. Augen, denen der Maseret nicht vertraut war, wäre der erste Teil des Tanzes langweilig erschienen, geradezu weibisch. Erst zeigte Hanish, dann sein Gegner dem anderen sein Profil, dann nahmen sie wieder die Ausgangshaltung ein. Beine überkreuzten sich. Ein Fuß wurde ein paar Zoll vorgeschoben. Die Kämpfer drehten sich in den Hüften, als wären Ober- und Unterkörper vollkommen unabhängig voneinander. Obwohl keiner der beiden sie ungebührlich zur Schau stellte, trug jeder eine einzige Waffe, einen Kurzdolch, der in einer vor den Bauch geschnallten Scheide steckte. Die schmale Klinge war etwa sechs Zoll lang. Sie glich einem Fischmesser, bestand aber aus sehr viel höherwertigem Metall.
    Der Prinz beherrschte die traditionellen Schritte so gut, dass nur ein geringerer Teil seines Bewusstseins über sie wachte. Er bemühte

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