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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Zweifel, was jetzt noch wichtig sei, und glaubte fest daran, seine Kinder auf den jeweiligen Weg zu bringen, der dazu notwendig war.
    Der König notierte eine weitere Anweisung. Schickt die Kinder zuerst herein , schrieb er, und dann, wenn… Thaddeus brauchte nicht nachzufragen, worauf sich die letzte Bitte bezog. Er würde dem König beide Wünsche erfüllen.
    Die Königskinder empfing er eine halbe Stunde später. Ihm war fürchterlich kalt, doch gewiss war die Kälte in seinem Inneren, denn der Raum war so geheizt, wie es für die Jahreszeit üblich war. Den Rücken an die geschlossene Tür des königlichen Schlafgemachs gelehnt, stand er da, die Hände übereinandergelegt, um ihr Zittern zu verbergen. Als er die vier jungen Gesichter betrachtete, war er froh, dass er diese Haltung eingenommen hatte. Ihr Anblick zerriss ihm schier das Herz. Als wäre er ihr Vater, dachte er: Schaut sie euch an! Schaut euch meine prächtigen Kinder an! Aliver... Bei Tinhadin, wie aufrecht er sich hielt! Seine Bewegungen waren gleichzeitig schneidig und gelöst. Wie gut erzogen er doch war, wie gewissenhaft und ernsthaft, wie stark, so tapfer Haltung zu bewahren. Das Gesicht von Corinn, sonst die Schönste der vier, war verquollen und fleckig. Sie sah aus, als könnten ihre Züge jeden Moment in Hässlichkeit zerfallen, doch die schmerzliche Unverbrämtheit ihrer Gefühle hatte etwas Rührendes. Menas Augen waren von einem Kummer erfüllt, der weit über ihr Alter hinausging, den Kopf hielt sie gesenkt, als wisse sie mit stiller Entschlossenheit genau, weshalb man sie gerufen hatte. Und Dariel zitterte mit weit aufgerissenen Augen wie eine Maus. Thaddeus musste ein Aufwallen der Emotionen unterdrücken. Es bedurfte all seiner Kraft, ruhig zu sprechen.
    »Euer Vater möchte euch jetzt sehen. Bitte strengt ihn nicht an. Ihr müsst wissen, dass er sich euch auf die einzige Art mitteilen wird, die ihm möglich ist. Verlangt nicht mehr von ihm, als er zu geben vermag. Es geht ihm gar nicht gut.« Der Kanzler war sich nicht sicher, wie er fortfahren und wie deutlich er werden sollte. Er wollte, dass sie über den Zustand des Königs Bescheid wussten, brachte es aber nicht über sich, ihn offen zu schildern. Stattdessen hörte er sich fragen: »Seid ihr bereit?«
    Eine törichte Frage. Er wusste, dass sie töricht war, als er seine eigenen Worte hörte und in Gesichter sah, die keineswegs bereit waren, ihren Vater zum letzten Mal zu sehen. Er wandte sich um, öffnete die Tür und trat beiseite. Als alle vier an ihm vorbeigegangen waren, zog er die Tür hinter ihnen zu. Dann entfernte er sich und versuchte, nicht daran zu denken, was sich in dem Raum abspielte, zwischen einem wahren Vater und seinen Kindern.
    Sein Arbeitszimmer lag nur wenige Schritte entfernt. Die Tür ließ er offen stehen, damit er es hören konnte, wenn die Kinder gingen, und wissen würde, wann er wieder zum König zurückkehren konnte. Dann schickte er seinen Sekretär los, um die Nebelpfeife des Königs vorzubereiten. In dessen Gesicht spiegelte sich Überraschung, als er sich anschickte, dem Befehl Folge zu leisten – oder war es Verachtung? Thaddeus nahm es ihm nicht übel. In vielerlei Hinsicht hatte der Mann recht. Wenn es mit dem König des Reiches zu Ende ging, sollte er dann nicht bis zuletzt bei klarem Verstand sein? Gab es nicht vieles, so vieles, worum er sich kümmern musste, und sollte er seinen letzten Atemzug nicht im Dienste des Landes tun? Dies alles stimmte natürlich, aber es war auch alles lächerlich. In dem offiziellen Bericht über das Dahinscheiden des Königs würde die Droge nicht erwähnt werden. In offiziellen Berichten wurde sie nie erwähnt.
    Thaddeus trat zum Kamin. Er stocherte mit dem Schürhaken in der Glut, obwohl die Scheite bereits gut brannten. Soll der alte Mann ruhig haben, was er sich wünschte, dachte er. Dies war das große Geschenk des Nebels: Die Droge gab dem, der sie nahm, das, wonach er sich sehnte und was er zum Weiterleben am nötigsten brauchte. Vor Aleeras Tod hatte Leodan sie nie genommen, doch in seiner Trauer danach hatte auch er das Mittel entdeckt, das viele Millionen seiner Untertanen nur allzu gut kannten. Die Sklaven der Kidnaban-Bergwerke, die Eltern der Quotenkinder, die wimmelnden Menschenmassen in den Armenvierteln von Alecia, die Händler, die sich unablässig mit den Meeresströmungen treiben ließen, die jahrelang fern der Heimat stationierten Soldaten, die Arbeiter in tausend verschiedenen Gewerben,

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