Acacia 02 - Die fernen Lande
mit Corinn. Oh, wie sie toben würde, wenn sie das wüsste. Aber es ging auch nicht um sie. Es ging um alles . Hier ging es um die ganze Bekannte Welt und alle, die darin lebten.
»Wie auch immer. So sieht’s aus. Du weißt Bescheid. Ich werde jetzt jemanden holen, der dich foltert. Spaß für dich und Spaß für ihn. Und alle sind glücklich.«
»Nein!«, rief Rialus. »Nein, das wird nicht nötig sein.«
Calrach verschränkte die Arme und verzog in übertrieben gespielter Verwirrung das Gesicht, womit er deutlich zu verstehen gab, dass er ganz und gar nicht verwirrt war. »Nein? Warum nicht?«
»Was will Devoth von mir?«
Calrach lächelte. »Ich kenne dich, Neptos. Ich wusste, dass ich recht hatte! Genau das habe ich ihnen gesagt. Ich habe gesagt: ›Er ist listig und verschlagen. Er wird die Seiten wechseln.‹ Stimmt das? Es freut mich, dass du dir so treu bleibst. Devoth will alles, was du ihm erzählen kannst. Alles, was er brauchen wird, um seinen Angriff« – der Numrek schüttelte angesichts der Ironie des Ganzen den Kopf – »auf dein Volk zu planen. Du bist ein wichtiger Mann, Neptos. Stell dich geschickt an, und es könnte sich als sehr gut für dich erweisen.«
Zur Antwort rollte Rialus sich wieder zu einem Ball zusammen. Er – Rialus Neptos, der so oft geschmäht und ausgelacht worden war, über den man Witze gemacht hatte – war in einer einzigartigen Position, um die Geschehnisse zu beeinflussen. Er würde eine Möglichkeit finden, genau dies zu tun, das schwor er sich. Er würde mit Devoth sprechen. Er sagte sich, dass er nicht dabei mithelfen würde, sein Volk zu vernichten. Außerdem sagte er sich, dass er darauf hinarbeiten würde, zu Gurta zurückzukehren und sein Kind zu sehen. Er fragte sich nicht, welches dieser Ziele ihm wichtiger war.
25
Das Spiel der Sonne auf den welligen, mit blassgelbem Gras bedeckten Hügeln war wunderbar. Beruhigend. Mena saß da, genoss die ersten Strahlen aus Licht und Wärme auf ihrer Haut und ließ die Welt, die sich Meile um Meile um sie herum erstreckte, auf sich wirken – eine Welt aus sanften Hügeln aus Gold und Schatten, die bis zum fernen Horizont reichte und gelegentlich von Vorsprüngen aus nacktem Fels gezeichnet war, die wie Inseln aussahen. Aus dem Süden wehte beständig eine Brise heran; die Luft war heiß, aber nicht unangenehm. In gewisser Hinsicht fühlte Mena sich, als wäre sie ganz allein auf der Welt. Doch sie war nicht allein. Ganz gewiss nicht.
Neben ihr lag die Echsenvogel-Kreatur, in einem sanften Bogen gekrümmt, ihr Schwanz ein Strom, der durch das Gras mäanderte. Ihr Kopf ruhte auf einem glatten Felsen; ihre Augen waren geschlossen, doch sie bewegten sich unter den dünnen Membranen der Augenlider. Selbst wenn sie schlief – was sie gerne zu tun schien –, war sie niemals gänzlich unempfänglich für die Welt um sie herum. Ihre Sinne schienen wach zu sein: Die Nüstern blähten sich gelegentlich, die kleinen Ausbuchtungen, die die Ohren kennzeichneten, richteten sich nach leichten Geräuschen aus. Mena konnte immer noch nicht recht glauben, dass die Geschehnisse der letzten paar Tage tatsächlich stattgefunden hatten. Aber dort war sie, in all ihrer gefiederten, reptilienhaften, grazilen Schönheit.
Und hier war sie selbst, saß neben der Kreatur, und unerklärlicherweise waren sämtliche Verletzungen geheilt, die sie bei ihrem Sturz erlitten hatte. Sie wusste, dass Melio und die anderen die ganze Gegend nach ihr durchkämmen würden, und sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie wusste, dass sie sich verzweifelt Sorgen machen würden. Vor allem Melio. Manchmal sagte sie laut seinen Namen und wünschte sich, er könne ihn im Wind hören und wüsste, dass sie an ihn dachte. Doch diese Traurigkeit war nur ein kleiner Teil ihrer Stimmung. In Wirklichkeit war sie auf eine Weise zufrieden, die sie sich nicht erklären konnte.
Vier Tage zuvor, als sie bemerkt hatte, dass die Kreatur am Leben und erwacht war und die Fürsorge beobachtete, die Mena ihrem Körper angedeihen ließ, hatte ihr das Herz so wild in der Brust gehämmert, dass sie fürchtete, es könnte bersten. Sie hätte nicht genau zu sagen vermocht, warum. Es war keine Angst um ihr Leben. Sie hatte den zerschmetterten Körper des Tiers gerade mit eigenen Augen begutachtet und wusste, dass es keine Bedrohung darstellte. Und es hatte sie auch nicht überrascht, dass sie beobachtet wurde. Als sie bemerkt hatte, dass die Augen des Tiers auf sie gerichtet
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