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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Durcheinander immer größer wurde, hörte Ravi, wie die Soldaten noch lauter spotteten. Sie hatten gewusst , dass dies passieren würde. Und es machte ihnen Spaß!
    Diese Erkenntnis ließ ihn aufschreien. »Wir sind keine Sklaven!« Ohne es zu bemerken, riss er seine Hand von der seiner Schwester los. Er wirbelte herum, brüllte über die Köpfe der zumeist kleineren Kinder hinweg in alle Richtungen. »Hört ihr mich? Wir sind keine Sklaven!«
    Seine Stimme musste weit getragen haben, denn viele Gesichter wandten sich ihm zu, viele Augenpaare starrten ihn an – runde Gesichter, ausgemergelte Gesichter, schmutzig und mit tief in den Höhlen liegenden Augen, in denen er Hunger zu erkennen glaubte. Und Zustimmung. Er glaubte, diese Zustimmung in Gewissheit verwandeln zu können. »Dass sie das behaupten, macht es nicht wahr. Wir sind keine Sklaven, nur weil sie es sagen!« Seine Stimme wurde lauter. Er rief, sie sollten sich umschauen. Sollten sehen, wie viele sie waren. Sie waren Hunderte. Am ganzen Strand waren Tausende! Die Soldaten waren wenige. Wie konnten sie so viele versklaven?
    Er beantwortete die Frage selbst: »Weil wir es zulassen!«
    Die Soldaten bemerkten ihn. Sie riefen einander etwas zu, riefen ihm etwas zu. Er sah, dass zwei von ihnen aus unterschiedlichen Richtungen auf ihn zukamen. Der Nähere war ein Bulle, mit Schultern, die so wuchtig und gewaltig waren, als würde seine ganze Wut sich dort zusammenballen.
    Ravi packte Mór und zog sie weg; beide waren so wendig wie Sardinen. Er glitt durch die Menge, wiederholte immer wieder aufs Neue, dass sie keine Sklaven waren. Er sagte den anderen, sie sollten kämpfen, sie sollten weglaufen, sie sollten irgendetwas tun, sollten sich nur nicht geschlagen geben. Er wusste nicht, ob sie ihn wirklich verstanden, oder ob das Chaos über ihnen zusammengeschlagen war, doch überall um ihn herum drängten sich die Kinder und wuselten durcheinander. Sie schlugen auf die Männer ein, die nach ihnen griffen, entwanden sich ihnen. Eine ganze Woge von ihnen war über einen Mann hinweggebrandet, der gestürzt war, und viele kleine Füße trampelten auf ihm herum, als sie den Strand hinunterstürmten.
    Der Freiheit entgegen, dachte Ravi. Er wusste, dass Mór ihn anflehte, doch das spielte keine Rolle. Er hielt sie am Handgelenk fest und tat, was er tun musste, er veränderte alles.
    »Sie können uns nicht alle aufhalten! Lauft nach Hause!«
    Gerade war er wieder herumgewirbelt, mit offenem Mund und bereit zu fliehen, falls der Soldat zu nahe war. Er dachte, dass es an der Zeit sei, sich den anderen anzuschließen, die den Strand entlang flüchteten. Das war es, was Mór wollte, dessen war er sich sicher, und jetzt würden sie es tun.
    Er drehte sich gerade rechtzeitig um, um die volle Wucht eines Knüppels abzubekommen, der gegen seine Stirn prallte. Eines Knüppels, den ein Soldat aus einiger Entfernung mit viel Schwung und unheimlicher Genauigkeit geworfen hatte. Ravis Kopf flog nach hinten, und sein Blick richtete sich auf den wolkenverhangenen Himmel. Plötzlich hatte er keine Beine mehr. Er fiel so hin, dass sein Hinterkopf das Erste war, was auf dem harten Sand aufschlug. Der Aufprall machte ihn benommen, nahm ihm den Atem, und die Hand am Ende des Arms, den er immer noch nach oben streckte, und in der er eben noch Mòrs Hand gehalten hatte, war leer.
    Und dann schloss sich eine Faust um diese Hand, und eine Gestalt verdeckte den Himmel. Der Soldat riss Ravi hoch, wirbelte ihn in der Luft herum und schleuderte ihn wieder mit dem Gesicht voran auf den Sand. Er drückte ihm das Knie in den Rücken, verlagerte sein ganzes Gewicht darauf. Ravis Lippen formten ein O, als die Luft aus seiner Lunge wich. Er schnappte nach mehr, aber der Mann drückte so fest, als wollte er sein Knie durch ihn hindurch in den Sand rammen.
    »Was machen wir mit ihm?«, fragte er.
    »Mach ihn fertig«, antwortete einer der anderen Soldaten mit ruhiger Stimme. »Das ist zwar Verschwendung, aber wir haben immer noch sie. Die Zahl stimmt so oder so.«
    Ravis Kopf lag seitlich auf dem feuchten Sand; er bekam keine Luft, in seinen Augen standen Tränen – und dann tauchte ein Messer in seinem Blickfeld auf. Und hinter dem Messer sah er seine Schwester. Sie schaute ihn an, und ihr Gesicht war herzzerreißend, trostlos. Ein Soldat hielt sie an den Schultern fest, obwohl es klar war, dass in ihr kein Kampfeswille war. Ravi wollte ihr sagen, dass sie nicht herschauen sollte, doch er konnte nicht.

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