Acacia
könne.
Gleichzeitig jedoch wünschte er sich auch, sie möchten in die weite Welt hinaustreten und die Bande der Freundschaft im ganzen Reich festigen. Er selbst reiste zwar nur ungern, doch mit Weltverachtung hatte das nichts zu tun. In seiner Jugend war er gern auf Fahrt gegangen und hatte auf den fernsten Inseln Freunde gewonnen. Zumindest hatte er sie für Freunde gehalten, obwohl er in Wahrheit nur wenig über Freundschaft wusste. Seinen gleichaltrigen Kameraden hatte er nie so nahe gestanden wie sein Vater den seinen. Etwas an der Königswürde hatte es ihm schwer gemacht, sich in der Gegenwart von Männern seines Alters wohl zu fühlen. Nur an fremden Höfen - wo er auf Dolmetscher angewiesen war und wo Gesten und Gelächter notwendige Beigaben einer Unterhaltung darstellten und die kulturellen Unterschiede Anlass zu Belustigung gaben - hatte er sich in Gesellschaft anderer wohl gefühlt und dieses Behagen für Freundschaft gehalten. Das war eine der Freuden seiner Jugend gewesen.
Seit Aleeras Tod war ihm die Welt anders erschienen. Vielleicht rührte das daher, dass an dem Tag, als Aleeras Asche vom Hafenfels verstreut worden war, der Nordwind ihre sterblichen Überreste über die ganze Insel verteilt hatte. Sie bedeckte jeden Quadratzoll der Insel. Ein Stück von ihr steckte in jeder Handvoll Erde, in der Nahrung, die die Bäume aus dem Boden saugten, in der Luft, die er atmete. Tag für Tag spürte er ihre Berührung. Jedes Mal, wenn ihn ein Windstoß traf, er den Kopf wandte und einen bestimmten Duft erhaschte, dachte er an sie. Er dachte sogar jetzt an sie, als er mit den Fingern durch den Staub in einem abgelegenen Winkel der Bibliothek fuhr. Dies war der Grund, weshalb es ihm jetzt davor graute, von Acacia wegzugehen. Er fürchtete sich davor, Aleera zu verlassen. Ihr gemeinsames Leben hatte nicht lang gewährt, doch wenn seine Asche ebenso verteilt würde, von derselben nördlichen Brise verweht, würden sie vielleicht das lange Schweigen des Todes miteinander teilen. Abgesehen vom Glück und Wohlergehen seiner Kinder war dies jetzt Leodans einziger Wunsch. Wer hätte ihm das zusichern können, sollte er in einem fremden Land sterben? Wer könnte ihm versprechen, dass er die Ewigkeit nicht in ebensolchem Gram zubringen würde wie die Jahre nach Aleeras Tod?
Leodan schaute von dem Text auf. Solche Gedanken halfen ihm nicht weiter. Er war der König; er konnte Einfluss nehmen auf die Welt um ihn herum und vielleicht einiges zum Besseren wenden. Es gab einen Weg, der ihm die größte Chance bot, in den Jahren, die ihm noch blieben, einen Sinn zu finden. Einen Kampf galt es noch zu bestehen, wenn er vor dem Andenken seiner Frau und seinen Kindern als ganzer Mann dastehen wollte. Falls es ihm gelänge, Tinhadins Vertrag mit den Lothan Aklun zu brechen... wenn er das zustande brächte, könnte er in der Hoffnung sterben, seinen Kindern ein edles Vermächtnis hinterlassen zu haben. Allerdings war es nicht leicht, dieses Ziel direkt anzugehen und ihm Gestalt zu verleihen, doch seit der Begegnung mit dem aushenischen Prinzen hatte er neue Hoffnung verspürt.
Igguldan war für ihn eine Offenbarung gewesen. Offenkundig war sich der junge Mann der Bürde der Abscheulichkeit bewusst, die dem auferlegt wurde, der sich mit der Gilde einließ. Obwohl er glaubte, sein Land sei dazu gezwungen, konnte man sehen, dass er starke moralische Bedenken hatte und dass es ihm zuwider war. Vielleicht wäre ein solcher Mann genau der richtige Partner an seiner Seite, ein Seelenverwandter, mit dem er sich daranmachen könnte, das Wesen des Reiches zu verändern.
Sein Kanzler hatte natürlich recht, wenn er bezweifelte, dass die Gilde Aushenia mit offenen Armen willkommen heißen würde. Die Gilde fürchtete, die Aufnahme eines weiteren Landes könne das Gleichgewicht der Kräfte vorübergehend stören. Sie gierte nach den aushenischen Erzeugnissen - von den Kindern als Handelsware ganz zu schweigen -, doch zunächst sollte das Land noch weiter geschwächt werden. Noch waren die Aushenier nicht in die Knie gezwungen. Sie waren gesund und kräftig und größtenteils nicht von der Drogensucht geschädigt, die so viele Menschen der Bekannten Welt abstumpfte. Außerdem waren sie militärisch noch zu stark - auch das bereitete der Gilde Sorge, denn kriegerische Macht betrachtete sie seit jeher als Bedrohung, und zwar so sehr, dass sie sogar die Stärke ihrer eigenen Sicherheitskräfte beschränkt hatte.
Leodan vermutete, dass Sire
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