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Acacia

Titel: Acacia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Dogan ihm schon bald Vorschläge unterbreiten würde, wie sie Aushenia schwächen könnten. Sie könnten mehr Nebel über die Grenze schmuggeln. Sie könnten Agenten einschleusen, Intrigen anzetteln, führende Persönlichkeiten in Skandale verwickeln oder sie mit gewaltsamen Mitteln aus dem Amt entfernen: ein unglücklicher Unfall, ein Fieber, ein Leiden, das als ein ganz anderes getarnt war. Leodan spürte, wie ihm bei dem Gedanken daran die Hände zitterten. Derlei Maßnahmen hatte sein Land auch schon in der Vergangenheit angewendet. Jetzt würden sie erneut vorgeschlagen werden.
    Es sei denn... Was, wenn es ihm gelänge, Aushenia unverzüglich ins Reich aufzunehmen? Was wäre, wenn er es durch einen eigenen Plan zum Verbündeten machte? Wenn er es als Bündnispartner für seinen Versuch gewinnen könnte, die Quote abzuschaffen, die Gilde zu entmachten und die Verbindung zu den Lothan Aklun zu lösen? Das könnte zu Krieg an mehreren Fronten führen - zunächst gegen die Gilde und die Kräfte innerhalb des Rates, die am Althergebrachten festhalten wollten, und schließlich vielleicht auch mit den Lothan Aklun, falls diese ihre jahrhundertealten Drohungen wahrmachen sollten -, doch eine solche Gelegenheit würde sich ihm möglicherweise nie wieder bieten.
    Dort in der Bibliothek, das Buch in der einen und den Teebecher in der anderen Hand, gelobte sich Leodan, dass er sich mit Igguldan und Aliver zusammensetzen würde, nur sie drei. Er würde ihnen alles sagen, was er über die Verbrechen des Reiches wusste. Wenn er seinem Sohn diese Dinge enthüllte, würde er ihn zugleich bitten, ihm in dem Bemühen beizustehen, alldem ein Ende zu bereiten. Er würde Igguldan eine Möglichkeit bieten, den Traum der längst verstorbenen Elena zu verwirklichen. Wenn jetzt kein Zeitpunkt für Veränderung war, wann dann? Ein Mann kann nicht ewig darauf warten, als der zu erwachen, der er zu sein hofft.
    Leodan hörte, wie ein Diener die Bibliothek betrat. Ohne sich umzudrehen, horchte er auf das Geräusch der Schritte: zwischen den Bücherregalen hindurch, eine kleine Treppe hinunter und dann an den Lesetischen vorbei auf den Alkoven zu, in dem er saß, bis der Mann in respektvollem Anstand stehen blieb. Er sprach den König halblaut an. Es sei Zeit für das Bankett. Der Schneider erwarte ihn, falls er wünsche, dass seine Abendgarderobe angepasst werde. Das Buch an die Brust gedrückt, folgte Leodan dem Bediensteten.
    Die nächste Stunde über scharwenzelte eine ganze Schar Männer um ihn herum. Der Schneider bat ihn, die Arme abzuspreizen. Mit schlaff herabhängenden Flügeln aus Stoffbahnen stand Leodan da. Wie bei solchen Anlässen üblich musste der König auf ganz bestimmte Weise gekleidet sein. Acacische Könige hatten aushenische Würdenträger seit jeher in einem fließenden grünen Gewand empfangen, das unter den Armen mit Goldfäden durchwirkt war. Das Kleidungsstück sollte dem Betrachter mehrere Botschaften übermitteln. Breitete der König die Arme aus, so erblickte man von vorn das Abbild des Sumpflands von Mittelaushenien, der Heimat zahlreicher Arten langhalsiger Wasserzugvögel, das die frühen epischen Dichtungen des Landes inspiriert hatte, darunter auch die Legende von Kralith, einem Gott in Gestalt eines weißen Kranichs, der aus dem Urmorast des Marschlands hervorgegangen war. Legte er die Ellbogen an und verschränkte die Hände vor der Brust, sah man auf dem von den Unterarmen herabfallenden Stoff acacische Soldaten in voller Rüstung, die in heroischer Pose dahinschritten. Dem Betrachter sollten die sorgfältig arrangierten nationalen Symbole zu verstehen geben, dass sich die Macht Acacias, ungeachtet seines Respekts vor der Geschichte anderer Völker, noch immer bis in die fernsten Winkel des Reiches erstrecke.
    Plötzlich sprang die Flügeltür an der anderen Seite des Gemachs auf. Mena und Dariel kamen Seite an Seite hereingestürmt; seit Wochen wetteiferten sie miteinander darum, wer die Tür heftiger aufstoßen könne. Ihnen folgte Corinn in ihrem eleganten Abendkleid. Aliver und Thaddeus bildeten den Schluss, in eine Unterhaltung vertieft. Als er seine Kinder auf ihn zueilen sah - alle unterschiedlich groß, jedes mit eigenem Temperament, Aleeras Eigenheiten in Gesten und Gesichtszügen zufällig verteilt -, errötete der König vor Freude. Daran, wie und weshalb Thaddeus vergleichbare Freude vorenthalten worden war, versuchte er nicht zu denken. Irgendwann würde er ihm reinen Wein einschenken.

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