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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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vor
Augen, stiehlt sich ein verliebter Mann eine enge steinerne
Wendeltreppe hoch. Er ist auf dem Weg zu einem sorgfältig
vorbereiteten Rendezvous. Er hat getrunken, und sein bestes
Leinenhemd weist Schweißflecken und Spuren von Essensresten
auf. Beim dritten Fenster bleibt er stehen, um die Luft von
draußen einzuatmen und sich mit beiden Händen durch die
Haarmähne zu fahren, die lang, ungepflegt und schmutzig ist. Warum mache ich das?, fragt er sich. Sich derart gehen zu
lassen, sieht ihm gar nicht ähnlich…
    Er steigt die Wendeltreppe weiter hinauf. Oben steht eine
Eichentür offen und gibt den Blick auf eine Diele frei, die von
einer an einem Haken baumelnden Laterne erhellt wird. Er gelangt zu
einem Empfangsraum, dessen Eichentäfelung mit den Jahren
nachgedunkelt ist. Als er über die Schwelle tritt,
überschreitet er auch eine andere Grenze, wie es bei dieser
Verabredung ausgemacht ist. Es ist gar nicht sein eigener Wille, der
seine Schritte lenkt. Er spürt ein seltsames Klopfen in der
Brust und weiter unten freudige Erwartung, Wärme und
Ausgelassenheit, sodass er ruft: »Wo bist du?«
    »Hier.« Er sieht, dass sie am Eingang auf ihn wartet.
Sie ist nur teilweise bekleidet, trägt mehrere Unterröcke
und ein eng anliegendes Korsett, aus dem ihre Brüste wie
schimmernde Kugeln hervorquellen. Die engen Ärmel sind halb
aufgetrennt, die Haare gelöst. Von ihren strahlenden Augen, dem
Schnürkorsett, das ihren Rücken gerade hält, und dem
Geschmack in ihrem Mund ist er völlig überwältigt. Sie
ist der Magnet seiner Realität, unglaublich anziehend und
innerlich so angespannt, dass sie zu explodieren droht.
»Funktioniert’s bei dir?«, fragt sie.
    »Ja.« Auch er ist angespannt und außer Atem, als
er auf sie zugeht, hin und her gerissen zwischen dem Unmöglichen
und der Lust. Auch früher schon haben sie mit dem
Geschlechtertausch herumexperimentiert und die
außerordentlichen Verwandlungsmöglichkeiten dieser Epoche
als Spiel ausprobiert, aber es ist das erste Mal, dass sie es auf
diese Weise tun. Als sie den Mund öffnet, küsst er sie und
spürt, wie seine warme Zunge sich zwischen ihre Lippen schiebt
und wie stark seine Arme sind, die sich um ihre Taille
schließen.
    Sie lehnt sich gegen ihn und bemerkt seine Erektion. »So also
fühlt es sich an, du zu sein«, sagt sie verblüfft. Die
Tür zu ihrer Kammer steht halb offen, doch sie hat nicht die
Selbstbeherrschung, länger zu warten. Die Flut neuer
Empfindungen (die von ihrem physiologischen Modell zu seinen
Sinnesorganen gelenkt wird) hat Besitz von ihr ergriffen. Sie reibt
ihre Hüften an ihm, schiebt sich tiefer in seine Arme und
stöhnt leise auf, als sie seine strammen Hoden und die Spannung
in seinem Penis spürt. Die Fülle von Empfindungen, die
ihren Körper überwältigt, bringt ihn an den Rand einer
Ohnmacht. Als er den pochenden harten Penis an seiner Leiste
spürt, ist es so, als löse er sich auf, verwandle sich in
Wasser und versickere. Irgendwie schafft er es – völlig
angespannt und außer Atem –, die Arme um ihre Taille zu
legen und in ihr Schlafzimmer zu stolpern. Sie wimmert, als er sie
auf die üppig gepolsterte Matratze sinken lässt.
»Mach’s mir!«, fordert sie ihn auf. »Hier und
jetzt!«
    Während die Unterhose um seine Knöchel schlackert und
ihre Röcke bis zur Taille hochgeschoben sind, landet er
irgendwie auf ihr. Sie küsst ihn, reibt ihre Hüfte an
seiner und murmelt ihm drängend irgendwelche Nichtigkeiten zu.
Ihm schlägt das Herz bis zum Hals. Was er empfindet, ist so, als
wolle sich das ganze Universum in seinen Geschlechtsteilen
zusammendrängen. Sein Inneres ist so nach außen
gestülpt, dass es ihm den Atem nimmt. Sein Penis ist heiß
und hart wie Stein, und er möchte unbedingt in ihr sein, doch
gleichzeitig empfindet er das Eindringen in ihre Sphäre als neu
und beängstigend. Er spürt, wie seine Zunge über ihre
Brustwarzen gleitet, eine elektrisierende Erfahrung, beugt sich
näher über sie, fühlt sich, als sie sein Glied in sich
aufnimmt, gleichzeitig schutzlos, ängstlich und ekstatisch.
Während er sich nach und nach ins Universum auflöst, macht
sich in seinem Kopf ein stummer Schrei Luft: Ich wusste nicht,
dass es sich so anfühlen würde…
    Danach wendet sie sich ihm mit trägem Lächeln zu und
fragt: »Wie war’s für dich?« Offensichtlich nimmt
sie an, dass er, wenn sie es genossen hat, dasselbe empfunden
haben muss.
    Doch er kann nur daran denken, was er empfunden hat, als

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