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Accelerando

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Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Kurs standen.«
    »Ich dachte, die Demokratie sei hier etwas völlig Neues
gewesen?«
    »Nein.« Sadeq schüttelt den Kopf. »Wussten
Sie, dass es in Teheran bereits im neunzehnten Jahrhundert
Aufstände mit dem Ziel gegeben hat, demokratische
Verhältnisse einzuführen? Deshalb ist die erste Revolution
ja auch… Nein.« Er macht eine abwehrende Geste.
»Politik und religiöser Glaube bilden eine explosive
Mischung.« Er runzelt die Stirn. »Aber sehen Sie mal nach
draußen. Entspricht das hier Ihren Wünschen?«
    Amber ruft ihre überall verstreuten Agenten zurück
– manche haben sich bis zu tausend Kilometer vom Ausgangspunkt
entfernt – und konzentriert sich darauf, deren Blick auf Sadeqs
Nachschöpfung zu einem Gesamtbild zusammenzufügen.
»Wirkt überzeugend. Aber nicht zu überzeugend.«
    »So war’s ja auch gedacht.«
    »Also gut.« Sie lächelt. »Ist es nur der Iran?
Oder haben Sie sich am Rande gewisse Freiheiten erlaubt?«
    »Wer, ich?« Er zieht eine Augenbraue hoch. »Ich
habe sowieso schon genügend moralische Bedenken, was
dieses… Projekt betrifft, da werde ich nicht auch noch
versuchen, in Allahs Domäne einzudringen, Friede sei mit ihm.
Ich kann Ihnen versichern, dass es in dieser Welt bis auf uns keine
mit Bewusstsein begabten Geschöpfe gibt. Die Menschen hier sind
von mir ausgedachte leere Hüllen, Stoffpuppen, die nur als
Fassade dienen. Und die Tiere sind grobe Ansammlungen von Bits. Das
war ja auch alles, worum Sie mich gebeten haben.«
    »Also gut.« Amber denkt kurz nach. Sie erinnert sich an
den Ausdruck auf dem schmutzverschmierten Gesicht eines kleinen
Jungen, der vor einer mit Brettern vernagelten Tankstelle an einer
Wüstenstraße mit seinen Gefährten Ball spielt und ihn
mehrmals aufprallen lässt; erinnert sich an die lebhafte
Unterhaltung zweier künstlich geschaffener Hausfrauen, von denen
eine das traditionelle Schwarz und die andere aus Europa importierte
Billigware trägt. »Sind Sie sicher, dass die Menschen nicht
real sind?«
    »Ziemlich sicher.« Allerdings wirkt Sadeq einen
Augenblick leicht verunsichert, wie ihr auffällt. »Sollen
wir losziehen? Haben Sie diejenigen, die davon Besitz ergreifen
wollen, schon so weit, dass sie demnächst hier
auftauchen?«
    »Die erste Frage kann ich bejahen. Und was die zweite Frage
betrifft: Pierre bearbeitet sie gerade entsprechend. Kommen Sie, wir
wollen ja nicht, dass die Hausbesetzer über uns stolpern.«
Sie winkt ihn herüber und öffnet ein Tor, das zurück
zur Piazza führt, wo ihre Roboterkatze – der Eindringling
in die demilitarisierte Zone, der den Aliens so viele Albträume
bereitet – friedlich schläft und im Traum superintelligente
Mäuse durch mehrdimensionale Realitäten jagt.
»Manchmal frage ich mich, ob ich selbst tatsächlich bei
Bewusstsein bin. Und bei solchen Gedanken bekomme ich eine
Gänsehaut. Kommen Sie, wir ziehen los und verkaufen
irgendwelchen Aliens eine Brücke in Brooklyn.«
     

     
    Amber tritt dem verlogenen Gespenst in dem fensterlosen Raum
gegenüber, der aus Kubricks 2001 geklaut ist.
    »Du hast das Monster in die Schranken verwiesen«, stellt
das Gespenst fest.
    »Ja.« Amber wartet nach subjektiver Zeitrechnung einen
Augenblick ab, denn am Rande ihrer Wahrnehmung registriert sie, wie
zarte fraktalartige Farnwedel sie kitzeln. Es scheint sich um den
Angriff eines verborgenen Zeitkanals auf ihre verschlüsselte
Sphäre zu handeln. Kurz spürt sie den Drang zu niesen. Und
einen Anflug brennenden Zorns, der sich aber gleich wieder legt.
    »Und du hast dich modifiziert, um dich vor äußerer
Kontrolle zu schützen«, fügt das Gespenst hinzu.
»Was willst du damit eigentlich erreichen, autonome
Amber?«
    »Hast du denn gar keine Vorstellung davon, was
Individualität bedeutet?«, fragt sie, verärgert
darüber, dass das Gespenst sich anmaßt, an ihren internen
Zustandsvektoren herumzupfuschen.
    »Individualität stellt eine unnötige Schranke
für den Informationstransfer dar«, erwidert das Gespenst
und nimmt wieder seine ursprüngliche Gestalt an – die
lichtdurchlässige Widerspiegelung ihres eigenen Körpers.
»Sie mindert die Effizienz eines kapitalistischen
Wirtschaftssystems. Ein großer Teil der demilitarisierten Zone
ist uns/mir nach wie vor nicht zugänglich. Bist du sicher, dass
du das Monster erledigt hast?«
    »Es wird das tun, was ich ihm sage«, erwidert Amber und
zwingt sich dazu, selbstsicherer zu klingen, als sie in Wirklichkeit
ist. Manchmal kann man das Verhalten dieser

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