Accelerando
Betonung dabei auf versprechen: Zwar verspricht diese ›Schnecke‹ viel, aber ob sie ihre
Verspechen auch halten kann, ist durchaus fraglich.
»Die Zivilisation ist nicht verkäuflich«, erwidert
Pierre langsam. Das Übersetzungsinterface flimmert auf: Es
speichert seine Worte ab und überfuhrt sie in eine
Meta-Grammatik. Dabei übersetzt es nicht nur die Syntax, sondern
liefert, falls nötig, auch Synonyme und Erklärungen.
»Allerdings können wir dir, falls du das wünschst, den
Sonderstatus eines Beobachters einräumen. Im Übrigen wissen
wir, wer du in Wirklichkeit bist. Falls du an einem neuen
Handelsabkommen interessiert bist, wird das geistige Eigentum, das du
derzeit besitzt, da drüben weit mehr wert sein als
hier.«
Die falsche Schnecke streckt sich leicht und bläht sich zu
einem dickeren Klumpen auf, während sich auf ihrer Haut
rötliche Flecken abzeichnen. »Muss darüber nachdenken.
Sind bei euch die Zahlungsfristen und Zahlungsverbindlichkeiten
streng festgelegt, oder könnt ihr das flexibel handhaben?
Können autonome Informationseinheiten einer Körperschaft
überhaupt Verträge eingehen?«
»Ich kann ja bei meiner Schirmherrin nachfragen«,
erwidert Pierre leichthin und unterdrückt dabei einen Anflug von
Angst. Er weiß zwar noch immer nicht genau, wie Amber und er
zueinander stehen, doch auf jeden Fall geht ihre Beziehung weit
über eine rein geschäftliche Partnerschaft hinaus, und ihm
machen die Risiken, die Amber eingeht, Sorgen. »Meine
Schirmherrin hat juristische Vollmachten, die ihr erlauben,
Handelsvereinbarungen so flexibel zu handhaben, dass sie deinen
Anforderungen genügen werden. Falls du in größerem
Maßstab tätig werden willst, kann es sein, dass wir
dafür Dachgesellschaften brauchen« – die
Rückübersetzung dieses Begriffs kommt bei ihm als Wirtsorganismen an –, »doch das lässt sich
alles regeln.«
Die Übersetzungsmembrane flimmert eine Zeit lang. Offenbar
formuliert sie einige der abstrakteren Begriffe so um, dass die
Körperschaft den Inhalt erfassen kann. Dennoch ist Pierre recht
zuversichtlich, dass die Schnecke das Angebot annehmen wird. Bei der
ersten Begegnung prahlte sie damit, die Hardware des Routers bis ins
Kleinste steuern zu können, meckerte und jammerte aber
gleichzeitig darüber, dass die Firewall-Protokolle ihr den
Rückzug verwehrten (gleich darauf wurde sie recht unhöflich
und versuchte, ihren Gesprächspartner zu fressen). Pierre wartet
geduldig ab und mustert dabei die Sumpflandschaft: Aus dem
schlammigen Boden sprießen hier und dort Gruppen violetter
Stachelfarne. Die Körperschaft muss wirklich verzweifelt sein,
wenn sie ernsthaft daran denkt, auf den bizarren Vorschlag
einzugehen, den sich Amber als Verhandlungsgrundlage für Pierre
ausgedacht hat.
»Klingt interessant«, erklärt die Schnecke nach
kurzer klärender Debatte mit der Übersetzungsmembrane.
»Wenn ich ein passendes Genom liefere, kannst du dann eine
maßgeschneiderte Hülle dafür bereitstellen?«
»Ich glaube schon«, erwidert Pierre vorsichtig.
»Kannst du deinerseits für die nötige Energie
sorgen?«
»Mit Hilfe eines Tors?« Einen Augenblick lang projiziert
die Übersetzungsmembrane ein achselzuckendes
Strichmännchen. »Kein Problem. Die Tore sind alle
miteinander verbunden: Durch eines kommt die unintelligente
kohärente Strahlung herein, durch die andere geht sie hinaus.
Hol mich nur erst einmal aus dieser Firewall heraus, heb die Sperre
auf.«
»Aber diese Zeitdifferenz aufgrund der
Lichtgeschwindigkeit…«
»Stellt kein Problem dar. Ihr geht zuerst, danach kauft ein
unintelligentes Hilfsmittel, das ich hier zurücklasse, Energie
auf und schickt sie euch hinterher. Innerhalb des Rahmens von
Zustandsgeneratoren, die das Universum 1.0 betreiben, arbeitet das
Netzwerk des Routers synchron. Die Nachrichten verbreiten sich mit
gleicher Geschwindigkeit, der Geschwindigkeit von Licht innerhalb
eines Vakuums, nur dass Wurmlöcher dazu benutzt werden, den Weg
zwischen den Knotenpunkten abzukürzen. Das Netzwerk zeichnet
sich gerade dadurch aus, dass es ohne Verluste arbeitet. Wer
würde seinen Verstand schon einem Kommunikationskanal
anvertrauen wollen, der ihn beim Transit womöglich
verstümmelt?«
Pierre strengt sich dermaßen an zu begreifen, welche
Implikationen die von dieser Schnecke beschriebene Kosmologie hat,
dass er zu schielen anfangt. Doch eigentlich ist hier und jetzt keine
Zeit für solche Überlegungen. Falls Aineko richtig liegt,
haben sie nach der
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