Accelerando

die Hand
hin.
    Als Sirhan, der bereits aus dem Gleichgewicht gebracht ist, seine
»Tante« jetzt zur Abwechslung mal in Menschengestalt
erlebt, lässt er den Blick völlig verwirrt zum Affen
schweifen. Hinter ihm geht Pamela auf Annette zu und nimmt deren Hand
in die eigenen zerbrechlichen Finger. »Siehst ganz
unverändert aus«, sagt sie würdevoll. »Ich
versteh jetzt, warum ich Angst vor dir hatte.«
    »Du!« Amber weicht so zurück, dass sie mit Sirhan
zusammenprallt. Wütend funkelt sie ihn an. »Warum, zum
Teufel, hast du alle beide eingeladen? Willst du etwa einen
thermonuklearen Krieg anzetteln?«
    »Frag nicht mich«, erwidert er hilflos. »Ich
weiß doch selbst nicht, warum sie gekommen sind! Und
was…«, er richtet den Blick auf den Orang-Utan, der die
Katze jetzt eine seiner behaarten Handflächen ablecken
lässt, »… was hat es mit deiner Katze auf
sich?«
    »Ich finde, das orangefarbene Fell steht Aineko nicht«,
bemerkt Amber bedächtig. »Hab ich dir schon von unserem
Mitfahrer erzählt?«
    Sirhan schüttelt den Kopf und versucht, ihn wieder klar zu
bekommen. »Dafür ist jetzt keine Zeit, glaube ich. In nicht
einmal zwei Stunden werden die Geldeintreiber da oben wieder da sein.
Die sind bewaffnet und gefährlich. Und falls sie ihren
Antriebsstrahl auf das Dach richten und die Atmosphäre hier
drinnen in Brand setzen, stecken wir im Schlamassel. Das würde
unsere Auftriebszellen sprengen. Und selbst Computronium arbeitet
nicht allzu gut, wenn es dem Druck von einigen Millionen
Atmosphären metallisierten Wasserstoffs ausgesetzt
ist.«
    »Besser, du nimmst dir die Zeit.« Amber umfasst
Sirhans Ellbogen mit eisernem Griff und lenkt ihn zum Fußweg,
der zurück zum Museum führt. »Verrückt«,
murmelt sie. »Tante Annette und Pamela Macx auf demselben
Planeten! Und sie gehen freundlich miteinander um! Das kann
nichts Gutes bedeuten.« Als sie sich umsieht, bemerkt sie den
Affen. »He du, komm her. Und bring die Katze
mit.«
    »Die Katze…« Sirhan führt den Satz nicht zu
Ende. »Ich hab von deiner Katze gehört«, fährt er
lahm fort. »Du hast sie auf die Field Circus mitgenommen.«
    »Ach ja?« Als Amber einen Blick nach hinten wirft, gibt
ihr der Affe ein Luftküsschen. Er hat die Katze auf seine
Schulter gebettet und kitzelt sie unter dem Kinn. »Ist dir
jemals der Gedanke gekommen, Aineko könnte mehr als eine
Roboterkatze sein?«
    »Aha«, erwidert Sirhan hilflos. »Also haben die
Geldeintreiber…«
    »Nein, das ist völliger Quatsch. Ich will darauf hinaus,
dass Aineko eine dem Menschen ebenbürtige, besser gesagt eine
Künstliche Intelligenz ist. Warum, glaubst du, hat sie den
Körper einer Katze gewählt?«
    »Keine Ahnung.«
    »Weil Menschen alles, was klein, flauschig und niedlich ist,
stets unterschätzen«, wirft der Orang-Utan ein.
    »Danke, Aineko.« Amber nickt dem Affen zu. »Wie
gefällt’s dir da drinnen?«
    Während Aineko weiterschlurft und ihr eine schnurrende Katze
auf der Schulter hockt, wägt sie die Antwort sorgfältig ab.
»Es ist anders«, erwidert sie nach einer Weile. »Aber
nicht besser.«
    »Oh.« In Sirhans verwirrten Ohren klingt Ambers
Bemerkung so, als wäre sie leicht enttäuscht. Sie gehen
unter den Zweigen einer Trauerweide hindurch, passieren einen wild
wuchernden Hibiskus, umrunden ein Ufer des Teiches und steigen
schließlich zum Haupteingang des Museums hinauf.
    »In einem Punkt hat Annette Recht gehabt«, sagt Amber
leise. »Trau niemandem. Ich glaube, jetzt ist es an der Zeit,
Dads Geist auferstehen zu lassen.« Sie lockert den Griff um
Sirhans Ellbogen. Sofort entzieht er ihn ihr und schenkt ihr einen
finsteren Blick. »Weißt du, wer diese Geldeintreiber
sind?«, fragt sie.
    »Die üblichen Verdächtigen.« Er deutet auf das
Vestibül. »Sei so gut und spiel uns das Ultimatum noch mal
vor, Stadt.«
    Die Luft flimmert, und es taucht ein archaisch anmutendes
holografisches Feld auf, das den komprimierten Output einer
visuellen, auf menschliche Augen zugeschnittenen Präsentation
abspult. Ein Mann im Piraten-Look, der einen zerlumpten und mehrfach
geflickten Raumanzug trägt, linst vom Pilotensitz einer uralten
Sojus-Kapsel aus auf die aufzeichnende Kamera. Eines seiner Augen ist
völlig schwarz, was auf ein Implantat mit hoher Bandbreite
hindeutet. Ihn ziert ein ungepflegter, üppig über die
Oberlippe wuchernder Schnurrbart. »Sein Se
gegrüßt«, sagt er schleppend. »Sin de
kalifornsche Nationalgarde un ham Kaperbriefe vom verdammten
amtierenden