Accelerando
Ruhe lassen. So einfach ist
das. Es ist ein schönes Hobby gewesen, neue Generationen von
Macxens großzuziehen. Ihr seid interessante Haustiere, doch
letztendlich hat auch das aufgrund eurer sturen Weigerung, über
eure Menschlichkeit hinauszuwachsen, gewisse Grenzen. Also biete ich
euch im Wesentlichen Folgendes an: Du, Manfred, überlässt
mir eine Kopie von dir, die später aus Sicherheitsgründen
vernichtet wird. Bis zum Abschluss dieses Vorgangs läuft diese
Kopie zusammen mit einem Turing-Orakel, das angeblich auf einer
anderen Kopie von dir selbst basiert, in einer Black Box. Danach
lasse ich dich ziehen. Und dich auch, Pamela. Diesmal werdet ihr
miteinander glücklich werden, denn ich werde nicht da sein, um
euch gewaltsam auseinander zu bringen. Und ich verspreche euch, dass
ich auch nicht wiederkehren werde, um bei euren Nachkommen
herumzuspuken.« Über die Schulter wirft die Katze einen
Blick auf Sirhan und Rita, die einander in höchstem Entsetzen
umklammern. Manfred stellt fest, dass er Ainekos enorme
algorithmische Komplexität spüren kann – ein Phantom,
das wie ein der Zahlentheorie entsprungener Albtraum über dem
Haushalt wabert.
»Ist das alles, was wir für dich darstellen? Ein
Programm zur Zucht von Haustieren?«, fragt Pamela kalt. Auch sie
hat nach Ainekos Pfeife getanzt, hat sich innerhalb der Grenzen
bewegt, die Aineko ihr gesteckt hat, wird Manfred mit wachsendem
Entsetzen klar. Haben wir uns wirklich deswegen getrennt, weil
Aineko uns dazu gebracht hat? Schwer zu glauben. Manfred ist
allzu sehr Realist, um darauf zu setzen, dass die Katze die Wahrheit
sagt. Die Wahrheit sagt sie nur, wenn es ihren Interessen dient. Aber
eine solche…
»Nicht ganz«, erwidert Aineko selbstgefällig.
»Anfangs, als ich mir meiner Existenz noch nicht bewusst war,
sicher nicht. Im Übrigen haltet ihr Menschen euch doch auch
Haustiere. Aber es hat wirklich Spaß gemacht, mit euch zu
spielen.«
Pamela steht auf, so wütend, dass sie drauf und dran ist
auszurasten. Ehe ihm völlig klar ist, was er eigentlich tut, ist
auch Manfred auf den Beinen und legt schützend einen Arm um ihre
Schulter. »Erzähl mir zuerst einmal, ob unsere Erinnerungen
wirklich unsere eigenen sind.«
»Trau der Katze nicht«, sagt Pamela scharf. »Das
Ding da ist nicht menschlich, und es lügt.« Ihre Schultern
sind angespannt.
»Ja, es sind eure eigenen«, erwidert Aineko und
gähnt. »Und du willst mir erzählen, dass ich
lüge, Miststück?«, fährt sie höhnisch fort.
»Ich habe dich lange genug in meinem Kopf mit herumgeschleppt,
um zu wissen, dass du keine Beweise dafür hast.«
»Aber ich…« Pamela schlingt den Arm um Manfreds
Taille. »Ich hasse ihn eigentlich gar nicht.« Ein trauriges
Lachen: »Ich erinnere mich zwar daran, dass ich ihn
gehasst habe, aber…«
»Menschen – ein solch brillantes Modell des von
Emotionen gesteuerten Selbstgewahrseins«, sagt Aineko mit
theatralischem Seufzer. »Ihr seid so dumm, wie es eine
intelligente Spezies nur sein kann – schließlich gibt es
ja auch keinen evolutionären Druck, schlauer zu sein –,
aber das habt ihr immer noch nicht geschnallt. Folglich verhaltet ihr
euch auch nicht angemessen gegenüber denen, die euch
überlegen sind. – Hör zu, Mädchen, alles, an das
du dich erinnerst, ist auch wahr. Was allerdings nicht bedeutet, dass
du dich deswegen daran erinnerst, weil es tatsächlich geschehen
ist. Es bedeutet nur, dass du dich daran erinnerst, weil es einer
deiner inneren Erfahrungen entspricht. Eure Erinnerungen an
Erfahrungen sind akkurat, aber eure emotionalen Reaktionen auf diese
Erfahrungen wurden manipuliert. Kapiert? Was der eine Affe für
eine Halluzination hält, ist für den anderen eine
religiöse Erfahrung. Es hängt nur davon ab, bei welchem von
beiden das Gottesmodul gerade hyperaktiv ist. Und das gilt für
euch alle.«
Aineko lässt den Blick mit milder Verachtung über die
Runde schweifen. »Aber ich brauche euch nicht mehr, und wenn ihr
noch diese eine Sache für mich erledigt, werdet ihr frei sein.
Versteht ihr? Sag ja, Manfred. Wenn du den Mund weiter so
aufreißt, wird bald ein Vogel auf deiner Zunge
nisten.«
»Sag nein…«, drängt Pamela genau in dem
Moment, als Manfred ja sagt.
Aineko lacht und zeigt ihnen verächtlich die
Reißzähne. »Ach, die Familienloyalität der
Primaten. So großartig und so verlässlich. Danke, Manny.
Ich nehme doch an, dass du mir gerade die Erlaubnis dazu erteilt
hast, dich zu kopieren und zu meinem Sklaven
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