Accelerando
an, doch während er sich umsieht, wird ihm
das Herz schwer. »Rita?«, fragt er.
»Und…«
»Hallo Manfred.« Pamela nickt ihm zurückhaltend
zu.
Rita zieht mit Blick auf ihn eine Augenbraue hoch. »Die Katze
hat gefragt, ob sie unseren Haushaltsassembler benutzen darf.
Allerdings habe ich nicht mit einer Familienzusammenführung
gerechnet.«
»Ich auch nicht.« Manfred reibt sich bekümmert die
Stirn. »Pamela, das hier ist Rita. Sie ist mit Sirhan
verheiratet. Die beiden sind meine… Eigeneltern, könnte man vermutlich sagen, wenn einem nichts Besseres
einfällt, oder? Soll heißen, dass sie meine Reinkarnation
großziehen.«
»Bitte setzt euch doch.« Rita deutet auf die leere
Fläche zwischen der Terrasse und dem steinernen Brunnen, der
seiner Form nach wie ein Schnitt durch vierdimensionales Glas wirkt.
Als sich der in der Luft schwebende Utility Fog zusammenballt und
erstarrt, bildet sich ein Futonsofa aus Kristallglas heraus, das im
künstlichen Sonnenlicht glitzert. »Sirhan kümmert sich
gerade um Manni – unseren Sohn. Er wird gleich zu uns
stoßen.«
Vorsichtig nimmt Manfred auf einer Seite des Futons Platz,
während Pamela sich steif auf der anderen Seite niederlässt
und seinem Blick ausweicht. Als sie sich das letzte Mal in leiblicher
Form begegnet sind – das ist schrecklich lange her –, haben
sie einander beim Abschied verflucht. Damals waren sie Kontrahenten
in einem üblen Scheidungskrieg und in ideologischer Hinsicht
durch Abgründe voneinander getrennt. Doch mittlerweile sind nach
subjektiver Zeitrechnung viele Jahrzehnte vergangen und sowohl die
Ideologien als auch die Scheidung haben kaum noch Bedeutung –
falls sich diese hässlichen Dinge überhaupt irgendwann
zugetragen haben. In der jetzigen Situation, in der sie gemeinsame
Sache machen, schafft es Manfred kaum, Pamela anzusehen.
»Wie geht’s Manni?«, fragt er die Gastgeberin in
dem verzweifelten Versuch, eine lockere Unterhaltung in Gang zu
bringen.
»Es geht ihm gut«, erwidert Rita mit spröder
Stimme. »Nur die üblichen vorpubertären Turbulenzen.
Wenn bloß nicht…« Sie bricht ab, denn in diesem
Moment taucht mitten in der Luft eine Tür auf, durch die Sirhan
tritt, gefolgt von einer kleinen Gottheit, die einen Pelzmantel
trägt.
»Seht mal, was die Katze hereingeschleppt hat«, bemerkt
Aineko.
»Du hast gut reden«, erwidert Pamela eisig. »Meinst
du nicht auch, dass du besser…«
»Ich hab versucht, dir die Katze vom Hals zu halten«,
sagt Sirhan zu Manfred, »aber sie wollte nicht…«
»Ist schon in Ordnung.« Manfred tut Sirhans
Entschuldigung mit einer Handbewegung ab. »Pamela, würde es
dir was ausmachen anzufangen?«
»Allerdings, das würde es.« Sie sieht ihn
schräg an. »Du zuerst.«
»Also gut.« Manfred bückt sich, um die Katze
anzustarren. »Was willst du von mir?«
»Wäre ich der Teufel aus euren mitteleuropäischen
Überlieferungen, würde ich sagen, dass ich gekommen bin, um
dir deine Seele zu rauben.« Aineko sieht zu Manfred auf und
zuckt dabei mit dem Schwanz. »Doch glücklicherweise halte
ich nichts vom Körper-Seele-Dualismus. Ich möchte deine
›Seele‹ nur ein Weilchen ausborgen. Werd sie nicht mal
schmutzig machen.«
»Aha.« Manfred zieht eine Augenbraue hoch. »Und
wieso?«
»Ich bin nicht allwissend.« Aineko setzt sich hin und
streckt ein Bein zur Seite aus, starrt Manfred jedoch weiterhin an.
»Ich habe ein… ein Telegramm erhalten, das angeblich von
dir stammt. Das heißt, von dieser anderen Manfred-Kopie, die
gemeinsam mit einer anderen Kopie von mir, mit Amber und mit allen
anderen, die jetzt nicht hier sind, aufgebrochen und durch das
Router-Netzwerk gereist ist. Das Telegramm behauptet, die Antwort sei
gefunden. Ich soll die Beschreibung einer Abkürzung erhalten,
die zu den tiefsinnigen Denkern am Rande des beobachtbaren Universums
führt. Inzwischen sei auch bekannt, wer das Netzwerk der
Wurmlöcher geschaffen hat und warum. Außerdem…«
Aineko macht eine kurze Pause. Wäre sie ein Mensch gewesen,
hätte sie jetzt mit den Achseln gezuckt. Aber da sie eine Katze
ist, kratzt sie sich mit dem Hinterbein gedankenverloren hinter dem
linken Ohr. »Das Problem ist, dass ich mir nicht sicher bin, ob
ich dem Telegramm trauen kann. Deshalb brauche ich dich. Du musst
für mich feststellen, ob die Nachricht echt ist. Ich wage nicht,
meine eigene Aufzeichnung von dir zu benutzen, denn die weiß zu
viel über mich. Falls das Informationspaket ein Trojaner ist,
könnte es
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