Accelerando
Sadeq mit überaus
distanziertem Blick. »Dieses dumme Mädchen möchte sein
Gewissen zu einer Begegnung mit jemandem mitschleppen, der so schlau
ist, dass er genauso gut ein Gott sein könnte«, sagt die
Katze. »Und sie muss diese kleinen Würstchen auf der Erde
davon überzeugen, dass sie tatsächlich ein Gewissen hat, wo
sie doch ein wiedergeborener Atheist und all das ist. Und das
bedeutet, dass Sie gebraucht werden, Witzbold. Es ist ein Posten
frei, die Stelle des Schiffstheologen auf dem ersten Sternenschiff,
welches das Jupiter-System verlässt. Ich kann Sie wohl nicht
dazu überreden, dieses Angebot auszuschlagen, wie?«
der router
EINIGE JAHRE SPÄTER MACHEN ZWEI MÄNNER UND EINE Katze
einen drauf, und zwar in einer Bar, die in Wirklichkeit gar nicht
existiert.
Die aufgeblähte relativistische Rauchwolke, die in der Luft
hängt, ist ein Sternenbild, das die Aussicht auf das All
jenseits der imaginären Wände akkurat wiedergibt.
Fehlfarben des Sternenlichts lassen den Eingang zur Bar violett
schimmern, hellen sich über den Tischen zu einem Nebel in
Regenbogenfarben auf und nehmen vor der erhöhten Plattform im
hinteren Teil einen schwach rötlichen Ton an. Da das Raumschiff
in den letzten Monaten die Fluggeschwindigkeit ständig
erhöht hat, ist der Doppler-Effekt mit der Zeit immer mehr in
den Vordergrund getreten. Einem betrunkenen Passagier, der die
unmerklichen Veränderungen in der Sternenkonstellation ringsum
weder beobachten kann noch mit dem Steuermodul des Schiffes auf der
Brücke verbunden ist, bietet die Projektion die beste
Möglichkeit, ein Gefühl für die beängstigend hohe
Fluggeschwindigkeit der Field Circus zu entwickeln. Einige
Zeit zuvor überstieg der Impuls des Schiffes die Hälfte
seiner Restmasse. An einem solchen Punkt muss ein einzelnes Kilogramm
die Durchschlagskraft einer Wasserstoffbombe von mehreren Megatonnen
aushalten.
Die rot-braun getigerte Katze streckt sich träge auf den
Holzbohlen vor der Theke aus, unmittelbar unter dem Bogen aus
Sternenlicht. Die Katze ist ein Weibchen, aber sie hat sich nur
deshalb für dieses Geschlecht entschieden, weil es ihr
Spaß macht, die Menschen zu irritieren, die alle rot-braunen
Tigerkatzen für Kater halten. Es ist typisch für sie, dass
sie den einzigen Lichtstrahl, in dem man auf diesem Sternenschiff
baden kann, für sich gepachtet hat. Im düsteren
rückwärtigen Teil der Bar sind zwei Männer, beide in
trübsinnige Gedanken vertieft, am Tisch zusammengesackt. Der
eine nuckelt an tschechischem Flaschenbier, der andere hat ein halb
geleertes Cocktailglas vor sich stehen.
»Wäre alles nicht so schlimm, wenn sie mir nur irgendein
Zeichen gäbe«, sagt der mit dem Bier und kippt die Flasche
so, dass er nachsehen kann, ob sich auf dem Boden etwas abgelagert
hat. »Nein, stimmt ja gar nicht: Es muss schon die richtige Art
von Zeichen sein, sodass ich merke, ob sie etwas von mir will. Ich
weiß einfach nicht, wie wir zueinander stehen.«
Der andere Mann lehnt sich zurück, kneift die Augen zusammen
und mustert den verblassten braunen Deckenanstrich. »Lass dir
von einem, der sich auskennt, was sagen: Wenn du’s
wüsstest, hättest du nichts mehr, von dem du träumen
kannst. Jedenfalls muss das, was sie will, und das, was du willst,
nicht unbedingt übereinstimmen.«
Als sich sein Gegenüber mit der Hand durchs Haar fährt,
verändert sich das Licht, sodass die kleinen schwarzen
Kräusellöckchen kurz einen silbernen Farbton annehmen.
»Pierre, wenn das Talent, von oben herab Weisheiten von dir zu
geben, das Einzige ist, was du beim Bumsen mit Amber gelernt
hast…«
Pierre funkelt ihn so gehässig an, wie es einem mit
Implantaten ausgerüsteten Neunzehnjährigen überhaupt
möglich ist. »Sei froh, dass sie dich hier nicht hören
kann«, zischt er. Seine Hand spannt sich reflexartig um das
Glas, allerdings verhindern die physischen Gegebenheiten in dieser
Bar, dass das Glas zerspringt. »Du hast verdammt viel getrunken,
Boris, viel zu viel.«
Glockenhelles, eiskaltes Gelächter dringt aus der Richtung,
in der die Katze liegt. »Und du hältst die Klappe!«,
sagt Boris mit einem Blick auf das Tier, richtet die Flasche wieder
auf und lässt sich den Gerstensaft durch die Kehle rinnen.
»Kann sein, dass du Recht hast. Tut mir Leid. Wollte der
Königin gegenüber nicht so unhöflich sein.« Er
zuckt die Achseln, stellt die Flasche ab, zuckt erneut heftig mit den
Achseln. »Es zieht mich nur runter.«
»In so was bist du
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