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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Als ihn noch ein
Kilometer von der Landung trennt, macht Sadeq sich eifrig daran,
Schutzhauben zu schließen und alles wegzusperren, was beim
Aufsetzen herumfliegen könnte. Schließlich rollt er seine
Matte auf dem Fußboden vor der Konsole aus und lässt sich,
die Augen zum Gebet geschlossen, zehn Minuten lang darüber
treiben. Es ist nicht die Landung, die ihm Sorgen bereitet, sondern
das DANACH.
    Das Hoheitsgebiet Ihrer Majestät, das wie ein rostbesetztes
Schneeflöckchen wirkt, hat einen Durchmesser von rund
fünfhundert Metern, wie er von seiner schäbigen Kapsel aus
sehen kann. Das Zentrum ist unter einer Kugel aus lockerem grauem
Schotter verborgen und streckt die zarten Arme wie Fühler zum
gewölbten, orangefarbenen Horizont von Jupiter aus. Feine Haare,
die sich bis zur molekularen Ebene wie Fraktale verzweigen, spalten
sich in regelmäßigen Abständen von den Verstrebungen
des Hauptkollektors ab. Wie entkernte Weintrauben sitzen die Kapseln
des Habitats am Wurzelgeflecht der massiven Konstruktion. Jetzt kann
er auch schon die riesigen stählernen Generatoren erkennen, die
von beiden Polen des Schneeflöckchens aufragen, eingehüllt
in Funken sprühendes Plasma, während sich im Hintergrund
die Jupiterringe wie düstere Regenbogen abzeichnen.
    Schließlich bewältigt Sadeqs schäbiges Raumvehikel
die letzte Anflugstrecke. Sorgfältig überwacht er die
Ergebnisse der KURS-Simulation und holt sie sich ins unmittelbare
Blickfeld. Eine außen angebrachte Kamera zeigt ihm die
Felsengruppe und die »Weintrauben«. Als sich der
Bildausschnitt auf die konvexe Decke seines eigenen Vehikels
ausdehnt, leckt er sich über die Lippen – drauf und dran,
die manuelle Steuerung einzuschalten und eine weitere Runde zu
drehen. Doch gleich darauf verlangsamt sich der Abstieg. Und als er
nah genug dran ist, um die Kratzer und Dellen auf dem glänzenden
Andockkegel vor dem eigenen Raumfahrzeug zu erkennen, geht es nur
noch wenige Zentimeter pro Sekunde voran. Ein sanfter Schlag, ein
Beben, danach ein leichtes Krachen, als die Schnappschlösser am
Andockring einrasten – und er ist gelandet.
    Erneut holt Sadeq tief Luft und versucht aufzustehen. Hier gibt es
zwar Schwerkraft, aber sie ist sehr gering. Laufen ist
unmöglich. Gerade will er sich auf den Weg zur Schalttafel
für die Versorgungssysteme machen, da bleibt er wie angewurzelt
stehen, denn von der anderen Seite des Andockrings dringt ein
Geräusch zu ihm herüber. Als er sich umdreht, sieht er, wie
sich genau in diesem Moment dessen Luke vor ihm auftut, ein
Dampfwölkchen kondensiert und…
     

     
    Ihre Kaiserliche Majestät sitzt im Thronsaal und spielt
leicht genervt mit dem neuen Siegelring herum, den ihr Stallmeister
für sie entworfen hat. Der Stein besteht aus fast fünfzig
Gramm schwerem bearbeitetem Kohlenstoff und ist von schlichtem, aus
dem Asteroiden gewonnenem Iridium eingefasst. Aufgrund der
bläulich violetten Lichtpünktchen innerer Laserstrahlen
funkelt der Ring: Er stellt nicht nur einen Teil der Kronjuwelen dar,
sondern ist auch ein optischer Router und gehört zum
infrastrukturellen Lenkungssystem für die Fabrikationen, die sie
hier draußen, am Rande des Sonnensystems, schafft. Ihre
Majestät trägt schlichte schwarze Militärhosen und ein
Sweatshirt, das aus fein gesponnener echter Seide und Glasfasern
gewebt ist, aber ihre Füße sind nackt. Ihr modischer
Geschmack lässt sich am treffendsten als »jugendlich«
bezeichnen. Und bestimmte Modestile verbieten sich hier sowieso, weil
sie aufgrund der geringen Schwerkraft unpraktisch sind. Allerdings
trägt sie eine Krone, schließlich ist sie Monarchin.
Hinten auf dem Thron schläft eine Katze – oder eine K.I.,
die davon träumt, eine Katze zu sein.
    Die Hofdame (die gelegentlich auch als Wasserbau-Ingenieurin
arbeitet) geleitet Sadeq zum Eingang und zieht sich gleich darauf
schwebend zurück. »Falls Sie irgendetwas brauchen, lassen
Sie es mich bitte wissen«, sagt sie schüchtern, verneigt
sich und treibt davon. Sadeq nähert sich dem Thron, orientiert
sich am Fußboden (ein Streifen schwarzen Verbundmetalls,
schlicht, wenn man vom Thron absieht, der wie eine exotische Blume
aus dessen Mitte sprießt) und wartet darauf, dass Ihre
Majestät Notiz von ihm nimmt.
    »Dr. Khurasani, wie ich annehme.« Das Lächeln, das
sie ihm schenkt, ist weder das unschuldige Lachen eines Kindes noch
das wissende Grinsen einer Erwachsenen, sondern tatsächlich eine
herzliche Begrüßung. »Willkommen in

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