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Accelerando

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Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Wer konnte nur so
blöde sein, ein Sternenschiff mit einer Besatzung pubertierender
Posthumaner zu entsenden…«
    »Hau ab! Das Betrinken ist eine ernst zu nehmende
Angelegenheit.«
    »Und du trinkst das Maximum auf das Wohl von Amber Macx, wie
ich annehme«, kalauert die Katze und wendet sich ab. Doch Pierre
ist so schlecht gelaunt, dass er gar nicht darauf reagiert, sondern
in die Leere hinein einen neuen Drink bestellt.
     

     
    In einem anderen Teil der netzartigen Realität, die das Leben
auf der Fielet Circus bestimmt, unterhält sich derweil
eine andere Verkörperung derselben Katze (deren Name Aineko und
deren Eigenart der Sarkasmus ist) mit der Tochter ihres früheren
Besitzers, der Königin des Ring-Imperiums. Mit dem zerzausten
blonden Haar und den künstlich verbreiterten Wangenknochen wirkt
Ambers Avatar wie sechzehn. Selbstverständlich ist das eine
Vorspiegelung falscher Tatsachen, denn gemessen an ihrer
persönlichen Lebenserfahrung ist Amber Mitte zwanzig. Doch das
scheinbare Alter zählt kaum in einem mit heraufgeladenen
Intelligenzen bevölkerten Simulationsraum – genauso wenig
wie im realen Raum, in dem die Posthumanen altern, wie und wann sie
wollen.
    Amber trägt ein zerschlissenes schwarzes Kleid und darunter
schillernde purpurfarbene Leggings. Träge rekelt sie sich auf
ihrem inoffiziellen Thron, der mit Armlehnen ausgestattet ist –
ein protziges, absurdes Möbelstück, das aus einem einzigen
Kohlenstoffkristall gefertigt und mit Halbleitern aufgemotzt ist. (Im
Unterschied zum echten Thron zu Hause, in der Umlaufbahn um Jupiter,
dient dieser tatsächlich nur zur Möblierung einer
virtuellen Umgebung.) Die Szenerie erinnert sehr an einen Nachtclub
für Anhänger des Gothic, der am Morgen nach der
Party seine ganze Schäbigkeit enthüllt: überall
abgestandener Rauch, zerknüllter Samt, hölzerne
Kirchenbänke, heruntergebrannte Kerzen und trübsinnige
Gemälde der polnischen Avantgarde. So lässig, wie die
Königin ein Knie über die linke Armlehne des Throns
gehängt hat und mit einem sechseckigen Anzeigegerät
herumspielt, deutet nichts darauf hin, dass sie bald eine
königliche Weisheit von sich geben wird. Allerdings befindet sie
sich ja auch in ihren Privatgemächern und ist nicht im Dienst.
Als königliche Majestät tritt sie nur bei formellen und
geschäftlichen Anlässen auf.
    »Farblose grüne Ideen schlafen heftig«, (* Farblose grüne Ideen schlafen heftig: Anspielung auf den
von dem amerikanischen Linguisten Noam Chomsky 1957
veröffentlichten Satz Colorless green ideas sleep furiously. Chomsky entwickelte damit ein Lehrbeispiel für einen Satz,
dessen Grammatik korrekt ist, ohne dass die Aussage einen Sinn
ergibt. Anm. d. Ü.) schlägt sie vor.
    »Nein«, erwidert die Katze. »Es klang eher wie Seid gegrüßt, Erdlinge, kompiliert mich zu eurem
Führer.«
    »Tja, da hast du mich auf kaltem Fuß erwischt«,
räumt Amber ein, trommelt mit der Ferse auf den Thron und spielt
mit dem Signetring herum. »Auf keinen Fall lade ich mir
irgendwelche verwurmte fremde Wetware auf meine süße graue
Gehirnmasse herauf. Außerdem ist deren Semiotik wirklich
bizarr. Was sagt Dr. Khurasani dazu?«
    Aineko lässt sich in der Mitte des karmesinroten Teppichs am
Rande des Podestes nieder und dreht sich beiläufig so, dass sie
an ihrem Geschlechtsteil schnüffeln kann. »Sadeq ist in
Auslegungen der Schrift vertieft. Er wollte damit nicht
belästigt werden.«
    »Ha.« Amber starrt die Katze an. »Also gut, seit
wann schleppst du diesen Teil eines Quellcodes mit dir
herum?«
    »Beim nächsten Piep sind es genau zweihundertsechzehn
Millionen vierhundertneunundzwanzigtausend und zweiundfünfzig
Sekunden«, erwidert Aineko und gibt selbstgefällig einen
Piepton von sich. »Sagen wir knapp sechs Jahre.«
    »Aha.« Amber kneift die Augen zu. Unangenehme
Möglichkeiten tun sich auf, wie die flüsternden Stimmen der
Agenten ihrem Gehirn mitteilen. »Und seit wann kommuniziert das
Ding mit dir?«
    »Angefangen hat’s etwa drei Millionen Sekunden, nachdem
ich es mir geschnappt hatte und auf dem Basisprogramm eines
neuronalen Netzwerk-Emulators laufen ließ. Dessen Modell waren
die Komponenten, die in den Nervenknoten der Magenschleimhaut eines
Stachelhummers gefunden wurden. Alles klar?«
    Amber seufzt. »Ich wünschte, du hättest Dad davon
erzählt. Oder Annette. Dann wäre vielleicht alles ganz
anders gelaufen!«
    »Wie das?« Die Katze hört auf, sich den Hintern zu
lecken, und sieht mit seltsam

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