Accelerando
in die Höhe zu treiben. All diese
Geschichten haben ihren Ausgangspunkt in der Rechtsprechung der Erde
und lösen hier oben eine wahre Flut von Schiedssprüchen
aus. Er weiß, dass diese Frau ein Jahr in einer Minute
durchleben kann, einem die Erinnerungen mittels der Implantate im
Kortex entreißen kann, einen dazu bringen kann, die schlimmsten
eigenen Fehler in ihrem Simulationsraum nachzuvollziehen, der Kraft
und Wirkung eines Albtraums hat. Sie ist die Königin – der erste Mensch, dem so viel Masse und Energie zur
Verfügung stehen, dass er der herrschenden Technologie
meilenweit voraus ist. Die erste Frau, die ihre eigene Rechtsprechung
in Kraft setzen und gewisse Experimente als legal erklären
konnte, um den Schnittpunkt zwischen Masse und Energie optimal zu
nutzen. Sie stellt eine force majeur, eine höhere Gewalt
dar. Selbst die Kämpfer an der Informationsfront des Pentagon
respektieren (bis auf weiteres) die Autonomie dieses Ring-Imperiums.
Wahrscheinlich umfasst der Körper, der ihm gegenüber auf
dem Thron sitzt, nur einen Bruchteil ihrer Identität. Sie ist
zwar keineswegs der erste vollständig oder teilweise
heraufgeladene Mensch, aber der erste Vorbote der Macht, die sich
vehement Geltung verschaffen wird, sobald die überheblichen
Menschen ihr Ziel erreichen, die Planeten auseinander zu nehmen und
die dumpfe, unbesiedelte Materie überall in den beobachtbaren
Ausläufern des Universums in Denkkapazität umzuwandeln. Und
er hat die Integrität ihrer Motive, die Rechtschaffenheit ihrer
Vision gerade in Frage gestellt, dazu noch in ihrer Gegenwart.
Die Lippen der Königin zucken. Gleich darauf verziehen sie
sich zu einem breiten mörderischen Grinsen. Die Katze in ihrem
Rücken setzt sich auf, streckt sich und starrt Sadeq mit
zusammengekniffenen Augen an.
»Wissen Sie, das ist das erste Mal seit Wochen, dass
mir jemand sagt, ich hätte nur Scheiße im Hirn. Sie haben
nicht zufällig ein weiteres Gespräch mit meiner Mutter
geführt?«
Jetzt ist es an Sadeq, peinlich berührt die Achseln zu
zucken. »Inzwischen habe ich ein Urteil vorbereitet«,
erklärt er bedächtig.
»Aha.« Amber dreht den riesigen Diamantring an ihrem
Finger und blickt ihm leicht nervös in die Augen. Obwohl…
Welches Druckmittel hätte er schon, das sie dazu bringen
könnte, sich irgendeinem Richterspruch zu beugen?
»Kurz gesagt, handelt Ihre Mutter aus unlauteren
Motiven«, erklärt Sadeq knapp.
»Bedeutet es das, was ich annehme?«
Erneut holt Sadeq tief Luft. »Ja, ich denke schon.«
Ihr Lächeln ist wieder da. »Und ist die Sache damit
erledigt?«
Er zieht die dunklen Augenbrauen hoch. »Nur, wenn Sie mir
beweisen können, dass man ein Gewissen haben kann, selbst wenn
einem keine göttliche Offenbarung zuteil geworden ist.«
In keiner Weise ist er auf ihre Reaktion vorbereitet. »Aber
sicher doch. Das steht als Nächstes auf dem Programm:
göttliche Offenbarungen zu erlangen.«
»Wie bitte? Etwa durch die Aliens?«
Mit ausgefahrenen Krallen bahnt sich die Katze vorsichtig den Weg
zum Schoß der Königin und wartet darauf, in den Arm
genommen und gestreichelt zu werden. Dabei lässt sie Sadeq nicht
eine Sekunde aus den Augen. »Woher sonst, Doktor? Ich habe den
Franklin-Trust doch nicht dadurch dazu gebracht, mir das nötige
Kleingeld für den Bau dieses Palasts zu leihen, dass ich als
Gegenleistung juristischen Papierkram erledige und einige, äh,
interessante Ausnahmeregelungen des Brüsseler Rates
herbeiführe. Seit Jahren wissen wir, dass es da draußen
ein ganzes Netzwerk von Aliens gibt, die Informationen miteinander
austauschen. Und derzeit bekommen wir nur das herein, was manche
ihrer Router zufällig durchsickern lassen. Wie sich
herausgestellt hat, gibt es nicht weit von hier einen Knotenpunkt im
realen Raum, an dem alles zusammenläuft. Die Gewinnung von
Helium 3, die Einrichtung einer unabhängigen Gerichtsbarkeit,
die intensive Industrialisierung los – all das sind
Aktivitäten, die einem bestimmtem Zweck dienen.«
Sadeq leckt sich über die plötzlich trockenen Lippen.
»Und Sie haben vor, Kontakt mit diesen Nachbarn
aufzunehmen?«
»Nein, viel besser: Wir werden sie besuchen, die
umständliche Kommunikation mit all den Verzögerungen durch
einen Besuch in Echtzeit ersetzen. Wir sind hierher gekommen,
um ein Raumschiff zu bauen und eine Besatzung zu rekrutieren. Selbst
wenn wir das ganze Jupiter-System ausschlachten müssten, um das
Geld dafür aufzutreiben.«
Die Katze gähnt und fixiert
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