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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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echt gut«, bemerkt Pierre.
    Boris seufzt erneut. »Scheint so. Wärst du an meiner
Stelle und ich an deiner…«
    »Ich weiß, ich weiß: Dann würdest du mir
erzählen, dass der ganze Spaß darin liegt, die Frau zu
erobern. Und dass sich alles ändert, wenn man erst mal
herumstreitet und das geliebte Wesen einen hinauswirft. Und ich,
traurig und einsam und so weiter, würde dir kein Wort davon
glauben.« Pierre schnaubt. »Das Leben ist nicht fair,
Boris. Damit musst du leben.«
    »Ich gehe jetzt wohl besser…« Boris steht auf.
    »Und bleib Ang vom Leib«, sagt Pierre, immer noch
verärgert. »Wenigstens so lange, bis du wieder
nüchtern bist.«
    »Schon gut, reg dich nicht auf. Hab bewusst den
Wachhund-Agenten aktiviert.« Boris zwinkert gereizt. »Sorgt
für angemessenes soziales Verhalten. Normalerweise lässt er
nicht zu, dass ich mich so betrinke. Jedenfalls nicht in der
Öffentlichkeit, wo mein Ruf darunter leiden könnte.«
Langsam löst er sich in Luft auf und lässt Pierre und die
Katze allein in der Bar zurück.
    »Wie lange müssen wir uns diese Scheiße noch
anhören?«, fragt Pierre laut. Im Taschenuniversum des
Raumschiffs ist die Stimmung schnell gereizt, es gibt endlos viele
Auseinandersetzungen.
    Die Katze macht sich nicht die Mühe, sich zu ihm umzudrehen.
»Wenn alles so läuft wie vorgesehen, werden wir in zwei
Millionen Sekunden den Hauptreflektor ausschalten und das Tempo nach
und nach herunterfahren«, bemerkt sie. »Zu Hause sind wir
in fünf oder sechs Megasekunden.«
    »Das ist noch verdammt lange hin. Was macht die
technologische Entwicklung der Zivilisation da draußen?«,
fragt Pierre beiläufig und schnippt mit den Fingern. »Ober,
ich möchte noch einen Cocktail. Bitte den gleichen wir
vorhin.«
    »Oh, vermutlich hat sie sich seit unserem Aufbruch um das
Zehn- bis Zwanzigfache beschleunigt«, erwidert die Katze.
»Hättest du die Nachrichten von daheim verfolgt, wäre
dir ein bedeutender Fortschritt im Einsatz von Routern aufgefallen,
die mit Quantenverschränkung arbeiten. Da unten läuft
wieder mal eine Netzwerk-Revolution; allerdings wird sie diesmal
binnen eines Monats vollendet sein, denn sie benutzen dazu
Lichtwellenleiter, die bereits im Boden verlegt sind. Nur waren die
bislang nicht aktiviert.«
    »Sie arbeiten mit… Quantenverschränkung?«
Pierre schüttelt verwirrt den Kopf. Der Kellner – ein
Körper ohne Gesicht, der mit schwarzem Schlips und langer,
gestärkter Schürze ausgestattet ist – tritt vor die
Theke und reicht Pierre ein Glas. »Klingt ja fast
vernünftig. – Was ist sonst noch los?«
    Die Katze rollt sich auf die Seite, fährt die Tatzen aus und
streckt sich. »Streichle mich, dann erzähl ich’s dir
vielleicht.«
    »Scheiß drauf und scheiß auf das hohe Ross, auf
dem du mal wieder sitzt«, gibt Pierre zurück. Er hebt sein
Glas, zerrt die glasierte Kirsche vom Cocktailstäbchen, wirft
sie auf die Wendeltreppe zu, die zu den Toiletten hinunterführt,
und leert mit einem Schluck das halbe Glas, dessen Inhalt aus
rosafarbenem Eismatsch, karamellisierten Hexose-Kristallen und
Ethanol besteht. Er stellt das Glas so heftig ab, dass der Restinhalt
fast überschwappt, und beweist damit, dass er alles andere als
nüchtern ist. »Du käufliches Miststück!«
    »Und du bist ein liebeskranker Mensch, der sich mit Drogen
voll pumpt«, erwidert die Katze ohne Groll, rappelt sich hoch,
macht einen Buckel und gähnt, wobei sie der Welt die Zähne
zeigt – Fangzähne aus Elfenbein. »Ihr Affen.
Würdet ihr mir wirklich am Herzen liegen, müsste ich euch
mit Sand zuschaufeln.« Einen Augenblick lang sieht sie leicht
verwirrt aus. »Wollte sagen, dann würde ich euch allen ein
Grab schaufeln.« Sie streckt sich noch einmal und blickt sich in
der leeren Bar um. Ȇbrigens: Wann wirst du dich bei Amber
entschuldigen?«
    »Das werde ich nicht, verdammt noch mal!«, brüllt
Pierre. In der Stille, die seinem Ausbruch folgt, hebt er verwirrt
das Glas und versucht es zu leeren, aber das zerstampfte Eis ist auf
den Boden gesunken, deshalb ist das Getränk jetzt so stark, dass
er husten muss und die Hälfte des Cocktails über den Tisch
spuckt. »Kommt überhaupt nicht in Frage«, krächzt
er leise.
    »Das verbietet dir wohl dein Stolz, wie?« Mit hoch
erhobenem Schwanz, die Spitze zu einem einzigen Fragezeichen
verdreht, stakst die Katze zur Theke. »Da bist du genau wie
Boris mit seinen pubertären Beziehungsproblemen, wie? Ihr
Primaten seid alle so leicht zu durchschauen.

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