AC/DC - Maximum Rock N Roll
tropischen Stürmen heimgesucht. Die Voraussetzungen für eine geregelte, unterbrechungsfreie Stromzufuhr waren in der ersten Woche nicht im Ansatz gegeben. Und ohne Strom konnte man schließlich keinen Krach machen. Jedenfalls nicht jene Sorte von Krach, für den sie sich diese Umgebung ausgesucht hatten.
Dass sie nicht arbeiten konnten, tröstete ein wenig darüber hinweg, dass ihre Gitarren mehrere Tage vom Zoll konfisziert wurden. Auch auf die Lieferung des restlichen Equipments aus London mussten sie warten. Aber es waren nicht nur die offiziellen Stellen, die die Band auf dem Kieker hatten.
Es gab in Nassau eine üppige, dominante Dame, die das nicht gerade Fünf-Sterne-würdige Hotel leitete, in dem AC/DC untergekommen waren. Eindringlich warnte sie die Band vor den Dieben und Einbrechern, die in der Gegend ihr Unwesen trieben. Sie versorgte die Band mit Speeren, die sonst beim Fischen genutzt wurden – für den Fall, dass sie einmal mit Einheimischen aneinandergeraten sollten.
Brian hatte ganz andere Sorgen. Die Band kannte seine Stimme nur aus dem Proberaum. In einem High-Tech-Studio konnte er sich nicht hinter dem Lärm verstecken – hier würden alle jeden seiner Atemzüge hören können.
Die Songs für das Album standen noch längst nicht alle fest. »What Do You Do For Money Honey« war George Young bei den Aufnahmesessions zu Powerage eingefallen. Ansonsten hatte die Band nur Riffs. Es gab kaum fertige Songs, nur einige Ideen, an denen Malcolm und Angus nach Bons Tod gearbeitet hatten.
Abgesehen von einer Woche in London hatte die Band noch keine Gelegenheit, als Einheit an neuem Material zu arbeiten. Nun drängte deutlich die Zeit: Jeder Text, der in London oder während des Flugs auf die Bahamas entworfen wurde, musste im Studio zu Ende geschrieben werden.
Zu seinem Erstaunen durfte Brian sich als Texter versuchen, obwohl er genau wusste, dass Malcolm und Angus ihren Teil dazu beisteuern würden. Er fühlte sich aber geehrt, auch wenn der Druck so noch weiter wuchs.
Angus konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als der Band mit dem Tod ihres Freundes einen Mitleidsbonus zu verschaffen und Texte zu verwenden, die Bon für das neue Album geschrieben hatte. Als Respektsbekundung gegenüber Bon und aus Höflichkeit Brian gegenüber, holten sie den neuen Sänger also auch als Texter mit ins Boot.
Phil Carson: »Bon hat nichts geschrieben. Malcolm und Angus haben das getan, was sie immer taten: sich um die Riffs und die musikalische Grundlage gekümmert und es Bon überlassen, sich die Texte und die Gesangsmelodien auszudenken. Genauso haben sie es mit Brian gemacht. Brian hat sich jede einzelne Gesangsmelodie und jede Textzeile selbst ausgedacht.
Wenn man sich die Texte von AC/DC anschaut, die Brian Johnson geschrieben hat, stellt man fest, dass er die inhaltliche Richtung von Bon beibehielt und sie trotzdem auf ein neues Level hob. Brian hat einen unglaublichen Sinn für Humor. Er kann prima mit Zweideutigkeiten spielen – manchmal neigt er sogar bei den Titeln zur Ironie -, aber er kann das rüberbringen, ohne dabei billig zu wirken.
Glauben Sie niemandem, der behauptet, jemand anders hätte diese Songs geschrieben – sie stammen von Brian Johnson. Ich war der A&R-Mann, ich weiß es.«
Brians Nervosität legte sich in der Nacht vor dem ersten Aufnahmetag: Nass geschwitzt wachte er auf und glaubte, Bon würde vor ihm stehen und ihn ansehen. Dann beruhigte er sich – es war nur ein Traum.
Nachdem sie sich im Studio eingearbeitet hatten, verbreitete sich schnell Optimismus. Die Rohversionen der Songs waren begeisternd, es schien ein großes Album zu werden. Und das brauchten sie auch: Die Öffentlichkeit erwartete einen Meilenstein.
Mit Bon stand die Band vor dem großen Durchbruch. Aber wenn das hier nicht funktionierte, wenn ihre neue Platte nicht überall als der nächste Schritt in ihrer Karriere angesehen wurde, konnte die Sache schnell den Bach runtergehen. Eine Band ist immer nur so gut wie ihr letztes Album. Und auf dem letzten Album hatte ein Mann mitgewirkt, der nicht nur unersetzbar war, sondern auch auf dem besten Weg, weltweit zur Legende zu werden.
Wenn es das Letzte sein sollte, was sie als Band taten, mussten sie sich nun so vital wie möglich präsentieren. Es würde keine Gelegenheit für Entschuldigungen geben und auch keine weitere Chance. Aber statt daran zu zerbrechen, schweißte der Druck sie als Team nur noch mehr zusammen.
Tony Platt (Toningenieur): »AC/DC
Weitere Kostenlose Bücher