Achat von Dor (Kampf um Dor) (German Edition)
fragen, ob Sie uns unter die Arme greifen würden. Wir haben heute Besuch für Andrea Varga und brauchen zusätzliches Personal, das uns von der Zentralstelle nicht bewilligt wurde. Eine Sache von anderthalb Stunden alles in allem.“
„Wer ist Varga? Ein besonders gefährlicher Mann?“
Wills lächelte.
„Das wissen wir nicht so genau. In jedem Fall nicht gefährlich wie ein Ernest Flake. Es geht in erster Linie darum, dass er nicht allein mit seiner Familie spricht, nichts zugesteckt bekommt und selbst nichts weitergeben kann. Varga gehört in die oberste Abteilung. Die Wards nennen sie die Heiligen . Varga wurde wegen Vielehe verurteilt. Im Augenblick tobt ein Papierkrieg darum, welche Ehen zu annullieren sind, welche die erste war und so weiter. Dem alten Varga steht eine Operation wegen Blasenkrebs bevor und er hat die Erlaubnis erhalten, den Clan vollzählig zu versammeln. Neun Frauen und fünfunddreißig Kinder im Alter zwischen dreißig Jahren und ein paar Monaten. Ein Rummel, den wir schon mal hatten. Die Wards drehen durch. Kinder, die dir zwischen den Beinen herumwuseln und ein Patriarch, der seine Familie abschreitet wie eine Gardekompanie. Es wurde ihm verboten, zu diesem Anlass aus seinen Schriften zu lesen, die Gott ihm diktiert hat und er war jetzt acht Tage im Hungerstreik deswegen.“ Wills seufzte. „Sie könnten helfen, diesen Haufen im Auge zu behalten. Aber natürlich können Sie ablehnen, da Sie noch nicht offiziell im Dienst sind.“
„Ich stehe zur Verfügung, Advisor“, sagte Sadsh. Anscheinend war dies sein esoterischer Tag und ein paar religiöse Spinner gehörten wohl eher zu den kleineren der vorhergesagten Herausforderungen.
Wills schien erleichtert.
„Ich werde selbst da sein und die Sache koordinieren. Finden Sie sich um zwei Uhr an der alten Kantine ein!“
„Ja, Advisor.“
Um fünf vor zwei Uhr herrschte schon Chaos vor dem Saal. Über vierzig Menschen aller Altersstufen und beiderlei Geschlechts drängten sich vor den Türen. Ihre Spruchtafeln waren konfisziert worden, weswegen sie sich auf lautes Gebet verlegt hatten.
Sadsh holte die kleineren Kinder zu sich herüber. Er hatte mit Kreide aus der Kantine Schleifen und Striche auf den Boden gezogen und brachte die Kinder dazu, diese Labyrinthe auszulaufen und selbst welche zu malen.
Wills lief mit besorgter Miene durch die Reihen und suchte das Gespräch wie er es nannte. Die älteren Söhne waren aber nicht leicht zu einem zwanglosen Meinungsaustausch zu bewegen.
Acht Wards umstanden den quirligen Haufen, aus dem ständig jemand zu entkommen drohte. Kinder suchten Toiletten, Frauen schlichen sich davon, um die Spruchtafeln wieder aufzurichten…
Schließlich ließ Wills die Türen öffnen.
Die Familienmitglieder durften nur einzeln eintreten, was die Prozedur erheblich in die Länge zog. Eine Frau zog plötzlich unter ihren Röcken ein riesiges Stoffgebilde hervor, ein so genanntes Varga-Kreuz, das sie auf dem Boden auszulegen versuchte. Zwei Wards rangen ihr das farbenfrohe Bündel aus den Händen, wobei sie Gott anrief und weinte. Wills führte die schluchzende Frau zur Seite.
Dann wurde Varga gebracht. Sofort trat vollkommene Stille ein.
Alle stellten sich in einer mustergültigen Reihe nach Alter auf.
Varga musterte seine Familie streng. Er ging an der Linie entlang, tadelte schief sitzende Krägen und nicht genügend polierte Schuhe, wollte ein kleines Mädchen auf den Arm nehmen, doch Wills zog ihn vorsichtig zurück.
„Das geht leider nicht“, sagte er entschuldigend.
Varga sah ihn aus weiten, vorwurfsvollen Augen an und ging weiter.
Dann klappte die Tür. Eine Frau mit Flyballkappe schob sich leise von hinten an die Reihe heran. Doch sie war bereits entdeckt worden.
„Tercera!“, brüllte Varga.
Sie wollte einfach zwischen zwei andere Frauen schlüpfen, doch er rief sie nach vorne.
Ein Donnerwetter biblischen Ausmaßes ging auf die Frau nieder, die mit violetten Jeans und grasgrünem Pullover nicht recht zum Rest der Familie passen wollte. Die Flyballkappe war der schlimmste Missgriff und wurde vom alten Patriarchen ausführlich kommentiert. Wills verhinderte, dass die Frau eine väterliche Ohrfeige kassierte und scheuchte sie nach hinten zu den Kindern.
Varga nahm die Verspätung seiner Tochter zum Anlass für eine Ansprache, die sich mit Demut und Unterordnung beschäftigte.
Tercera Varga hob eins der Kinder auf ihren Arm und verteilte heimlich Kaugummis. Um sie herum entstand ein Pulk,
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