Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer
auf eine Geschenkidee gebracht hatte?
Nächster Hinweis: Seit zwei Wochen lasse ich »Runners World« auf dem Klo liegen, die Seite mit der Polar-Anzeige aufgeschlagen. Keine Reaktion. Gestern habe ich die S625x mit dicken Kulistrichen noch mal eingerahmt. Zur Sicherheit. Mona muss etwas gemerkt haben. Andererseits: Bestimmte Anzeigen werden von Frauen einfach übersehen, nicht mal mit Absicht, sondern einfach so. Es ist ein genetischer Defekt: Frauen können Pulsuhr-Anzeigen einfach nicht sehen. Ein echtes Argument pro Gentechnik.
Zum Glück gibt es bei Frauen einen zweiten genetischen Defekt, der noch stärker ist, der Clooney-Effekt. Die Firma Polar würde umgehend den Absatz ihrer Hightech-Chronometer verdoppeln, wenn sie über ihre Anzeigen schriebe: »Die wünscht sich George Clooney zu Weihnachten.« Wenn irgendwo »Clooney« steht, reagieren alle Frauen, sogar auf Pulsuhr-Anzeigen. Sie stehen auf diesen Halbaffen, auch wenn er so aussieht, als habe er Haare auf dem Rücken. Alle Frauen wollen George Clooney eine Freude machen. Mit einer S625x holen sie sich ein bisschen Clooney-Feeling nach Hause. Ich färbe mir auch die Schläfen grau und klebe mir ein paar Haarbüschel auf den Rücken, wenn es Mona dabei hilft, eine S625x zu kaufen.
»Was wünschst du dir eigentlich zu Weihnachten?«, hat Mona neulich ganz unauffällig gefragt. »Eine neue Krawatte wäre toll«, habe ich gesagt, »oder ein schönes Buch. Fürs Laufen habe ich ja schon alles. Da kannst du mich nicht mehr überraschen.« Sie lächelt fein. Ich bin ja so ein Fuchs. Es hat geklappt. Ich weiÃ, dass es geklappt hat.
Schlag auf Schlag
Der eigene Herzschlag ist der Drehzahlmesser des Menschen. Am Puls lässt sich mit etwas Ãbung relativ präzise ablesen, ob die Maschine im grünen Bereich pumpt. Wer ernsthaft laufen will, kommt um die Anschaffung einer Pulsuhr nicht herum. Einfache Modelle, die es schon unter 50 Euro gibt, reichen für den Anfang voll aus. Die Faustregel
220 â Lebensalter = Maximalpuls
gilt zwar als ungenau, ist aber immerhin eine Orientierung für gutes Training. Ein Anfänger von 40 Jahren trainiert am Anfang im Bereich von 75 Prozent. Die Rechnung lautet:
75Â % von 180 (220â40) = 135
Fortgeschrittene jagen den Puls mindestens einmal die Woche längere Zeit über 90 Prozent. All diese Angaben sind Mittelwerte, die individuell stark abweichen können.
Präzise Auskunft bringt nur eine Leistungsdiagnostik, die bei Sportärzten oft schon für weniger als 100 Euro angeboten wird. Die Ausgabe lohnt sich, denn der Läufer lernt eine Menge über seinen
idealen Trainingspuls. Freaks messen ihren Herzschlag jeden Morgen noch vor dem Aufstehen. Ein paar Schläge über dem Normalwert signalisiert: Achtung, Alarm, eine Krankheit ist im Anflug oder die Gefahr von Ãbertraining. Es ist allerdings unbequem, mit dem Brustgurt zu schlafen. Andererseits: Da man bereits Kompressionsstrümpfe für die Regeneration angelegt hat, ist es auch schon egal.
»Profis trainieren nach der Stoppuhr, nicht nach dem Pulsmesser«, sagt Achilles-Experte Dr. Matthias Marquardt (»77 Dinge, die ein Läufer wissen muss«).
Das Gegenteil von »gut gemeint« ist »gut gemacht«. Das Gegenteil von einem Weihnachtsgeschenk, über das man sich wirklich freut, ist eines, das sich die Gattin ausgedacht hat. Weihnachten bei Läufern, das ist eine heikle Angelegenheit.
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Am Heiligen Abend steckte Karl schlechtlaunig seine Lego-Raumstation zusammen und hoffte insgeheim, doch noch irgendwo unter der ökologisch abgeholzten Nordmann-Tanne ein Paket mit Playstation oder Handy zu finden. Mona hatte ihr halbes Dutzend Päckchen Kosmetikkrempel ausgepackt, von kleinen spitzen Schreien begleitet. Endlich war ich an der Reihe. »Da«, sagte Mona, »frohe Weihnachten.« Sie grinste. Ich schüttelte das Päckchen. Die GröÃe war perfekt. Das leichte Rumpeln auch aus dem Karton auch. Definitiv nichts zum Anziehen. Immerhin. Könnte also tatsächlich die S625x sein, der Porsche unter den Pulsuhren.
Ich riss das Päckchen auf. Ein technisches Gerät. »Garmin«, stand drauf. Was war das nun wieder? Warum kannte ich das nicht? Mona hatte ihren Na-los-freu-dich-sofort-ganz-doll-Blick aufgesetzt. »Toll!«, sagte ich. »Das ist GPS«, sagte Mona. »Toll!«, sagte ich, nahm das Ding von der
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