Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer
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Ein BMI zwischen 20 und 25 ist ideal und bis 30 nicht übermäÃig besorgniserregend. Unter 20 ist man zu dünn, über 30 definitiv zu dick. Wer wirklich ernsthaft längere Strecken gegen die Uhr laufen will, sollte sich eher Richtung 20 als zur 30 hin orientieren.
Wer mehr über die letzten Geheimnisse der optimalen Läufer-Diät wissen will, über gefrorenen Sellerie und Powerbar-Tarte, über die Geheimnisse von Pferdegulasch und Wurstwasser, dem sei der »Lauf-Gourmet« empfohlen â Achims Ernährungsratgeber und Rezeptbuch für alle Läufer-Lagen.
Heiligabend, Bescherung, Geschenke. Das gehört zusammen. Damit es aber das gewünschte Präsent gibt und keinen überflüssigen Ramsch, bedarf es einiger Anstrengungen. Besonders gewiefte Weihnachtszeitgenossen haben über die Jahre Erfolg versprechende Taktiken entwickelt .
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Bald ist Weihnachten. Es sind die Wochen des Schneeregens. Die Morgen im dunklen Matsch sind die Hölle. Die Abende auch. Und erst die Wochenenden. Aber der Trainingsplan ist unerbittlich: Tempomachen, befiehlt er. Am Ende des Volksparks liegt ein verwaistes Leichtathletikstadion. Die Tartanbahn wurde von Generationen von Maulwürfen systematisch untergraben. Es ist glatt dort. Ein Weg dauert allein schon 20 Minuten, dazu 10 mal 400 Meter volle Pulle mit je einer Minute Pause, dann zurück, Brötchenholen, Duschen â das heiÃt: um 6 Uhr aufstehen.
»Ohne Tempoläufe kein Marathon«, sagt Klemmbrett-KarraÃ, mein Trainer. Er rät, dass man sich einen virtuellen Feind ausdenken soll, den man nach Herzenslust hassen kann, zur Motivation. Ich stelle mir eine Mischung aus Dieter Bohlen, Mauro Camoranesi und unserem Nachbarn Roland vor. Solche Typen haben immer als Erste den neuesten technischen Schnickschnack. Zum Beispiel eine Polar S625x, den Porsche unter den
Pulsuhren. Und ich nicht. Ich will auch eine. Von Mona. Zu Weihnachten.
Mona ist stolz auf mich. In unserem Mietshaus, in Karls Schule, in Gudruns Kiosk, auf jeder Party erzählt sie, dass ich schon morgens um 6 Uhr durch die Gegend wetze. Mona hört gern, wenn die Leute »Ist ja doll« sagen. Sie ahnt nicht, dass ich ihren Stolz eiskalt auszunutzen gedenke. Ich weià nur noch nicht, wie.
Das Weihnachtsgeschenk ist bei uns eine Waffe für feinste psychologische Kriegsführung. Mona zum Beispiel will mir nicht unbedingt eine Freude machen, sondern sie will mich überraschen. Es geht nicht um mein, es geht um ihr Wohlbefinden. Ich darf nichts ahnen. Ich muss ein total verblüfftes Gesicht machen. Und dann muss ich mich freuen. Sonst ist Weihnachten gelaufen. Ihren geheimnistuerischen Ãberraschungstick kann man aber durchkreuzen. Wenn ich etwas auf gar keinen Fall haben möchte, muss ich es mir ausdrücklich wünschen. »Neue Socken, das wäre ein tolles Geschenk, eine echte Ãberraschung«, so lautet die garantierte Anti-Socken-Formel. Mona wiederum besteht darauf, dass ich ihr genau das schenke, was sie bestellt. Dieses Jahr hat sie eine Kosmetikserie in Auftrag gegeben, die man nur im KaDeWe bekommt. Das Produkt stammt aus Frankreich, sein Preis aus Japan, und der Profit geht nach Amerika. Ich dagegen wünsche mir ein finnisches Produkt, allein wegen der schönen Frauen in Helsinki, die Polar S625x.
Jeder, der um diese Jahreszeit läuft, der ist Profi, der hat die S625x, erkennbar an dem kleinen schwarzen Sensor am verschlammten Schuh. Nur ich trage diese kleine graue M5, ohne Sensor natürlich, den Trabi unter den Pulsuhren. Die S625x ist eine Sensation: Sie misst die Strecke und das Tempo, sie optimiert das Trainingsprogramm, man kann alle Daten mit dem Handy abrufen und das Ding auch noch für das Rennrad ausbauen. Kalorienzählen kann sie auch, aber zum Glück nur rückwärts. Selbst kaufen kann ich mir die Uhr auf gar keinen Fall. Sie kostet über 350 Euro und wäre für Mona die nächsten 20 Jahre das Totschlagargument bei jedem Paar Schuhe.
Wie kriege ich nun Mona dazu, mir diese Wunderuhr zu schenken? ÃuÃere ich den Wunsch, kriege ich sie nie. Beauftrage ich Karl, ihr unauffällig einen Tipp zu geben, wird er sich verplappern. Also vorsichtige Hinweise geben. Neulich habe ich nach dem Training angemerkt, dass meine M5 spinnt. »Vielleicht die Batterie«, hat Mona gesagt. War sie wirklich desinteressiert? Oder hat sie sich nur nicht anmerken lassen wollen, dass ich sie
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