Achilles Verse
oder abends ab halb sieben. Wie toll, die kühle Luft.
Doch immer ist es dunkel. Und immer schreit ein kleines faules Schwein tief drinnen im Hirn: Was soll der Quatsch? Morgen ist auch noch ein Tag, und übermorgen erst. Vielleicht ist es dann wärmer. Oder heller. Oder sonst irgendwie besser. Vielleicht hat man sogar mal wieder Lust. Der nächste Wettlauf ist noch tausend Jahre weit entfernt. Und außerdem zieht es schon wieder dumpf in der Kniegegend. Mit einer nahenden Meniskusquetschung ist nicht zu spaßen. Lieber noch etwas Ruhe. Sofa, ich komme.
Ja, es nahen die Tage der autumnalen Laktatophobie, wahrscheinlich die weitverbreitetste Läuferkrankheit. Die autumnale Laktatophobie ist die unglaubliche Panik vorm Laufen in Herbst und Winter und geht oft einher mit der Lachanophobie, unter der außer mir auch Krissie Palmer-Howarth litt, mehr als 40 Jahre. Die Britin befiel eine unbändige Angst, sobald sie Tomaten, Gurken oder Karotten auch nur sah. In früher Jugend litt sie am Gestank im Gemüseladen ihres Onkels. Ihr weiteres Leben lang konnte sie nicht mal über Gemüse reden.
Geht mir ähnlich: Wenn Mona wieder mit ihrem Sprossensalat an Schlabbertofu ankommt, dann nehme ich mental Reißaus. Wenn ich dann noch irgendwo ein Läufermagazin sehe, das ich nachlässigerweise noch nicht ganz unten ins Altpapier gepresst habe, dann durchfahren mich Hitzeschübe und Ekelattacken. Flucht. Wahrscheinlich sind es frühe Traumata durch zu lange Aufenthalte in feuchtwarmen Umkleideräumen, die mit übel riechendem Läuferpack vollgestopft waren. Schon der Gedanke an einen Laufschuh stülpt mir den Magen um. Der Geruch von Thermo-Unterwäsche macht mich umgehend bewusstlos.
Krissie Palmer-Howarth hat ihre Lachanophonie mit Hypnose überwunden. Schon nach einer Sitzung konnte sie sich in der Nähe von Gemüse aufhalten, sogar ganz dicht an Brokkoli, den sie noch mehr hasste als alles andere Grünzeug.
Vielleicht sollte ich Mona bitten, einen Laufschuh am Schnürsenkel vor meiner Nase hin und her pendeln zu lassen. Dazu sagt sie langsam: »Du fühlst dich gaaanz schnell, Achilles, gaaanz leicht. Du willst jetzt sofort ins Freie und deine unbändige Kraft ausprobieren.« Dann schnippt sie, ich reiße ihr den Schuh aus der Hand, schlüpfe hinein und renne los: 8 mal 2000 Meter und dann gleich noch mal, weil es so schön war. Morgen probieren wir es vielleicht mal. Oder übermorgen.
Motivation
Achilles-Experte Gerhard Huhn rät:
Akzeptieren Sie, dass Laufen anfangs anstrengend ist und Sie nicht immer eine gute Figur machen werden. Was soll’s, alle haben mal so angefangen.
Hören Sie vor dem Training gute Musik – das gibt Schwung.
Versuchen Sie, sich daran zu erinnern, wie gut es Ihnen nach dem letzten Lauf ging.
Denken Sie sich eine Belohnung aus, etwa ein gutes Frühstück oder ein neues Paar Laufschuhe.
Geben Sie sich Zeit. Nach zwei bis drei Monaten wird Ihnen das Laufen leichter fallen, und dann macht es richtig Spaß.
Machen Sie Ihren Lauftermin zu einer festen Gewohnheit. Diskutieren Sie nicht jedes Mal aufs Neue mit Ihrem inneren Schweinehund.
Selbstsuggestion ist alles: Sagen Sie nicht: Ich muss laufen, sondern: Ich will (objektiv stimmt das ja auch). Nicht: Ich fühle mich schlapp, sondern: Laufen macht mich munter.
Denken Sie an die unzähligen Kalorien, die Sie verbrennen, und wie viele Pizzen, Steaks und Schokoladen Sie dafür verspeisen können.
Lassen Sie einfach mal die Uhr zu Hause, und laufen Sie so lange und so schnell Sie wollen.
Mehr Ratschläge von Gerhard Huhn finden Sie auf www.achim-achilles.de
Am Ende der Saison ist Ruhe angesagt. Achilles übertreibt es damit gern. Egal. Nach der Saison ist vor der Saison.
Das Sofa saugt mich ein. Eine eigenartige Starre hat sich meines Körpers bemächtigt. Das Heben der Fernbedienung erfordert übermenschliche Kräfte. Karl und Mona sind im Kino. »Ich geh laufen«, hatte ich gesagt. Das war eine Lüge. Ich sollte laufen. Aber ich kann nicht aufstehen. Seit Wochen. Ich mag nicht. Es ist zu warm für Winter. Das ist verdächtig. Der Kälteeinbruch lauert garantiert schon an der deutschen Grenze. Er kommt genau dann, wenn ich losgelaufen bin. Und ich hole mir eine Zerrung oder Schlimmeres. Ein Japaner soll sich neulich das Gemächt abgefroren haben beim Lauftraining. Es fällt mir schwer, jetzt nichts Gehässiges zu denken. Vielleicht hat er einfach nur was übersehen. Der Japaner ist ja durchweg zierlich.
Es könnte auch regnen. Mit einer
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