Acht Augen sehen mehr als vier
geschenkt. Am Bikini war noch das Preisschild …“
Ich bin sprachlos. Aber irgendwie kann ich Wolli verstehen. Ich rolle die Tasche zusammen und klemme sie auf meinen Gepäckträger. Laura wird nicht begeistert sein. Immerhin weiß ich, dass Huby sich die wertvollsten Teile gekrallt hat. Mit dieser Information können sich ihre Eltern ruhig an die Polizei wenden. Den Täterhinweis kriegen sie von mir geliefert.
„Du, Milan, kann ich dein Freund sein?“, fragt Wolli plötzlich.
„Mein was?“ Ich starre Wolli an, als hätte der sich vor meinen Augen in einen rosa Elefanten verwandelt.
„Ich find dich schon lange super. Viel besser als den Huby“, murmelt Wolli zaghaft.
„Oh, Mann, Wolli, das muss ich mir erst mal überlegen. Aber du kannst mir wenigstens verraten, wie Huby mit Nachnamen heißt und wo er wohnt.“
„Hubert Leitner, Schrebergarten 55“, presst er so rasch zwischen den Zähnen hervor, dass es zischt. Dabei läuft er rot an wie eine Sauerkirsche.
Klar, Huby zu verraten, ist gefährlich. Mit dem möchte ich weder süße noch saure Kirschen essen, denke ich und sage: „Danke. Tschau, Wolli!“
Ich schaue mich nicht mehr nach ihm um. Klar, Wolli kann einem echt leidtun. Aber mein Freund? Nö, das ist er noch lange nicht.
Emily ist ganz allein in der Wohnung mit dem tintenblauen Kühlschrank. Sie trägt ein zitronengelbes Top und einen weißen Minirock. Sie lächelt und ihre samtbraunen Augen funkeln mich an. Das rieselt und kribbelt, dass mir ganz heiß wird. Draußen unter der Markise steht ein gedeckter Tisch. Durch die offene Tür zieht der wunderbare Duft von knackfrischen Brötchen, Rührei mit Schinken, Himbeermarmelade und warmem Kakao.
„Ich habe extra auf dich gewartet“, sagt Emily. „Magst du lieber Cola oder Orangensaft?“ Sie legt ihre langen Arme um meinen Nacken, hellbraune Arme, die nach Karamell duften. Ihr Gesicht ist ganz nahe. Sie küsst mich auf den Mund. Es schmeckt wie heißes Schokoeis.
Wir küssen immer weiter und fliegen einfach so auf den großen blauen Kühlschrank zu, der seine Tür öffnet und innen leuchtet. Aber auf dem Kühlschrank sitzt Dagobert, er gähnt und zeigt sein Raubtiergebiss. Langsam streift er sein Fell ab und verwandelt sich in Wolli. Der kickt den Fußball mit dem Kopf und grinst gehässig. „Es gehört alles mir“, zischt er. „Alles, mein Freund!“ Der Ball saust auf Emily und mich zu. Gleich … wird er … Ich schütze Emily mit meinen Armen.
„Es gibt Frühstück“, sagt sie.
Doch der Ball fliegt an uns vorbei und knallt gegen die Glastür, dass es scheppert.
Was? Wie?
„Der Wind hat das Fenster zugeschlagen“, sagt meine Mutter. „Sieht nach Gewitter aus.“ Sie schließt das Fenster. „Hast du gehört, Milan? Wir frühstücken gleich. Ich hab heiße Schokolade für dich gemacht.“
Ich hab mich total in die Bettdecke verwickelt. In meine eigene, in meinem Zimmer. Keine Emily? Ich hab es nur geträumt?
Mein Vater kommt frisch geduscht, nasshaarig nur mit einem Handtuch um die Hüften aus dem Bad. „Na, Junior, alles klar?“ Er grinst vergnügt. Ist ja Sonntag. Wochenende. Da braucht er nicht zur Arbeit gehen.
„Lass mich mal durch, Pa“, murmele ich. „Muss mal!“
Da lacht er und macht Platz.
Nur geträumt, dass Emily mich küsst?
Der Frühstückstisch auf dem Balkon duftet wie in meinem Traum. Er sieht auch beinahe so aus. Alles da: knackfrische Brötchen, Eier mit Speck, heiße Schokolade mit kühler Schlagsahne. Ich schnuppere an meiner Maxitasse. Mmh!
Es grummelt draußen und der Himmel bezieht sich mit fetten Tintenwolken. Nur noch ein paar wenige Sonnenstrahlen lassen die grellroten Geranien in unseren Balkonkästen wie Feuerbälle leuchten.
„Magst du noch Kaffee, Schatz?“
„Und wie, Schnucki!“ Er streckt ihr seine leere Tasse entgegen.
Meine Eltern strahlen einander an. Klar, die haben’s gut. Sonntags schmusen die morgens und … ja klar, die schmusen nicht bloß!
Irgendwo tönt eine Melodie, drei Takte rauf und runter. Hey, mein neues Handy! Ich springe auf und stoße vor lauter Hektik mit dem Knie gegen die Tischkante, dass die Maxitasse wackelt.
Das Handy klingelt schrill und ich wühle wie ein Maulwurf meine Klamotten durch. Bleib dran, Emily!, denke ich. Da hab ich es. Ich reiße es ans Ohr.
Doch jetzt ist es stumm.
Aufgelegt. Mist.
Ich schlüpfe in die Shorts, stopfe das Handy in die Tasche. Wenn sie das neue Teil sehen, fragen meine Eltern bestimmt, wo ich es herhabe.
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