Acht Augen sehen mehr als vier
darauf hat, und mich so angeschaut und hilflos geseufzt. Aber jetzt ist sie doch weg. Sie hat gesagt, sie schreibt mir eine SMS . Ob sie das echt macht?
Die Wohnung ist ganz still und tot. Meine Eltern arbeiten. Ma hat einen Aushilfsjob im Supermarkt gefunden. Nur für ein paar Wochen, aber immerhin. Mein Job bei Antonio ist schon vorbei. Seine Kinder sind zurück und helfen wieder mit.
Ich schaue aus dem Fenster. Nachts hat es gewittert und geschüttet. Jetzt knallt die Sonne durch die nassen Platanen. Es ist stickig wie in einer Waschküche. Okay, die Blätter duften noch gut nach Regen, aber ihr Geruch mischt sich schon mit Abgasen, nassem Straßenpflaster und dem Dampf, den die Dächer abgeben, wenn sie in der Sonne trocknen. Sommer in der Stadt stinkt eben.
Dann ist es so weit. Ich schwing mich aufs Rad und fahre zu den Wiesenhügels, Princess müde toben. Vor der Einfahrt zum Park mache ich eine Vollbremsung und drücke auf die Sprechanlage. Der Gärtner oder Sekretär oder was der auch immer ist, der das Haus verwaltet, fragt, wer da ist.
„Milan, wegen dem Hund“, sage ich.
Und er fragt noch mal: „Wer?“
„Milan Mertesheimer, der Freund von Emily Karim und Laura, wegen dem Hund!“
„Ach so. Geht klar.“
Er öffnet das Tor. Und genau in dem Moment kreischt jemand hinter mir. „Milan, hey, Milan, was machst ’n du hier?“
Ich fahre herum. Wolli. Wütend starre ich diesen Giftzwerg an. „Das könnte ich dich fragen, aber hallo!“, zische ich. „Spionierst du mir jetzt nach oder was?“
„Äh, nein.“ Er hält mir die ausgestreckten Arme mit den Handflächen unter die Nase. „Überhaupt nicht. Nee, ich bin bloß ganz zufällig …“
„Jaja, erzähl das deiner Oma.“
„Milan, glaub es doch. Zufall!“
„Dann hau jetzt ab, los, Alter, mach die Fliege!“, rufe ich, weil er schon halb in der Einfahrt steht.
Und aus der Sprechanlage tönt der Sekretär: „Ist etwas nicht in Ordnung?“
Ich stelle mein Rad quer und dränge Wolli raus. „Hau ab, sag ich! Ich hab zu tun.“
„Da drin?“ Wolli deutet mit seinem schmierigen Zeigefinger auf die schwere Eichentür der Villa.
„Ja, und jetzt verpiss dich!“
Die Haustür öffnet sich. Der Sekretär steht höchstpersönlich auf der Freitreppe.
Er trägt ein schneeweißes Hemd und eine grüne Krawatte zu einer hellen Stoffhose. Auf seiner Adlernase blitzt die Goldrandbrille. Genervt schiebt er sie mit dem Zeigefinger höher.
Zwischen seinen Beinen schießt ein wolliges Teil hervor und rast auf mich zu.
„Hey, Princess!“
Ehe sie mich erreicht, ist Wolli schon wie eine Rakete abgezischt.
„Wer war das denn?“, fragt der Sekretär und macht eine steile Falte in seine Stirn. Seine buschigen schwarzen Augenbrauen zucken genervt.
„Ein blöder Depp“, murmele ich und wühle mit beiden Händen in Princess’ Fell. Dem Sekretär schau ich lieber nicht in die Augen. Er denkt sicher, ich hätte mich mit Wolli hier verabredet und der wäre am Ende noch mein Freund!
Dabei ist Wolli mir superpeinlich.
„Der hat hier nix verloren“, grummle ich, noch immer über Princess gebückt.
„Du kennst ihn?“
„Nicht wirklich. Nur von der Schule.“ Princess springt an mir hoch und leckt meine Nase. Schnell wische ich den Sabber weg und nehme die Leine, die der Dingenskirchen mir hinhält.
„Dann bis in drei Stunden, Milan Mertesheimer, und sei pünktlich.“ Grantiger Typ, dieser Sekretär. Solange Emily und ich Princess gemeinsam abgeholt haben, klang er netter. Emily hat ihn immer superfreundlich begrüßt. Zuerst hab ich „Herr Kutterbügler“ verstanden und sie gefragt: „Wie heißt der? Kutterbügler?“
„Nee, Kübelköttner“, hat sie gekichert. Und wir haben Faxen gemacht. „Rübenketter“, „Rüpelböttner“ und lauter so Zeug. Ich konnte mir den Namen erst recht nicht mehr merken und nenn ihn seither Dingens oder Dingsbums oder Dingenskirchen. Natürlich nur in Gedanken. Aber er könnte schon freundlicher zu mir sein. Immerhin kümmere ich mich jetzt eine halbe Woche lang allein um Princess. Ich hab ihm echt nix getan. Und für Wolli bin ich nicht verantwortlich.
Ohne Emily macht nicht mal die Hunderunde am Fluss so richtig Laune.
Jetzt bezieht sich der Himmel auch noch mit dichten Wolken. Mir läuft der Schweiß in Bächen über Stirn und Nacken, so schwül ist es. Princess springt, holt Stöckchen, rast zu mir zurück, wirft mir das versabberte Teil vor die Füße, lauert, bis ich es wieder werfe und so
Weitere Kostenlose Bücher