Achtung BABY!
sich da drinnen so tut. Durch das große Schaufenster sah man eine verschlissene Polstersitzgruppe. Das Interieur erinnerte mich an die Zungenkussecke im Partykeller. In der Mitte stand ein Tisch mit silberner Häkeldecke, und darauf thronte eine Kristallkugel. Drum herum lagen Tarotkarten und Hexenschnickschnack. Eins machte mich immer stutzig. Ich hatte in all den Wochen da drinnen nie einen Kunden gesehen. Und ich hatte auch nie die Wahrsagerin zu Gesicht bekommen. Von dem Schaufensterraum führte eine Tür ins Hinterzimmer, wo sie sich offenbar in ihrer Freizeit aufhielt, also immer, wenn kein Kunde da war. Durch die geöffnete Tür konnte man sehen, dass Tag und Nacht der Fernseher lief. Immer wenn ich vorbeikam, liefen Talkshows. Deswegen war ich natürlich etwas skeptisch, was Mrs. Psychs seherische Fähigkeiten anging. Wenn jemand dauernd fernsieht, ob der dann wirklich was von der Zukunftversteht? Aber eines Tages siegte die Neugier, und ich bin rein und bat sie, mir die Zukunft zu deuten. Mrs. Psych saß vor mir, ihre Hände waberten in Ellipsen um die Kristallkugel, und sie blickte abwechselnd in die Kugel und in meine Handflächen. Plötzlich warf sie mir skeptische Blicke zu. Die Zeremonie stoppte abrupt, und sie schmiss mich raus. Sie sagte, dass ich nicht wirklich ehrlichen Herzens zu ihr gekommen sei und dass ich sie später auf einer Bühne verarschen würde. Okay. Die war echt gut.
Das ist meine Crux bei den Zukunftsvoraussichten. Gute Wahrsagerinnen werden mich rauswerfen, weil sie sehen, dass ich bei ihnen auch zeitgleich für eine gute Nummer recherchiere, und schlechte, die mir eine tolle, rosige Zukunft schildern, kann ich nicht ernst nehmen. Als ich mit meiner Frau 2004 in Burma war, fuhren wir auf einem Boot den Irrawaddy-Fluss hinunter. An Bord war auch ein Seher, so hieß es wenigstens. Der Typ war so eine Mischung aus dem Typen des Comics »Asterix und der Seher« und Elizabeth Teissier. Er machte in Astrologie und Sternzeichen. Ich habe mit Horoskopen und Sternzeichen noch nie etwas anfangen können, aber da wir nun schon seit längerer Zeit versucht hatten, schwanger zu werden, und es noch nicht geklappt hatte, dachten wir uns, dass eine Befragung zumindest nicht schaden könnte. Ich sag’s gleich, diese Sitzung hat mich nicht zur Erleuchtung gebracht. Er sagte voraus, dass ich es in meinem Beruf (welcher das auch immer war) doch noch zu viel Erfolg und Geld bringen würde. Das war erfreulich, aber ich wollte etwas anderes wissen und sprach ihn konkret auf etwaigen zukünftigen Nachwuchs an. Er blickte auf seine hingekritzelte Mittermeier’sche Sternzeichenkonstellation (es sah ein bisschen so aus wie in den Filmen, wo manische Typen die Apokalypse beschwören), und dann sagte er zu mir: »You will have three children!«
Yuppie, das hörte sich doch schon mal gut an für den Anfang. Das Problem war nur, dass eine halbe Stunde vorher Gudrun bei ihm gewesen war, und ihr hatte er nur zwei Kinder prophezeit. Blöd gelaufen. Ich sprach ihn drauf an, dass er vielleicht doch noch mal genauer nachgucken sollte, ob es da eventuell eineZahlenverwechslung gegeben hätte. Aber er blieb dabei: »No, it is for sure, you will have three children in the future.«
»But you told my wife, that she will be having only two children.«
»Where is the problem?«
»Äh, I love my wife and want to have children with her .«
»Perhaps you will have the third child from a different woman and you love your wife.«
Ich habe dabei eins gelernt: Die Zukunft ist kein Geschäft für Romantiker, sondern für Pragmatiker. Zumindest hatte er mir bestätigt, dass meine Frau und ich fruchtbar waren. Und solange ich nicht in fremden Besenkammern (update: Toiletten-Treppenverbindungen) rumwildere, bin ich einigermaßen sicher vor Fremdgeburten.
Wir sind schwanger! Das hört sich so einfach an wie: »Wir bekommen ein Auto!« Aber die Vorgeschichte ist nicht so, wie sie normalerweise in einem guten alten bayrisch-christlichen Haushalt erzählt wird. Wir Katholiken haben ja eine besondere Theorie der Vermehrung: Ehepaar wünscht sich ein Kind – ein heiliger Geist erscheint – der Mann ist gerade auf Arbeit – der Geist weiß das natürlich – er kommt zur Frau in die Kammer und sagt »servus« – ein strahlendes Hansi-Hinterseer-Lächeln liegt in der Luft – Frau merkt ein paar Wochen später, ups, das war wohl eine eher tiefergehende Begrüßung. Das Ganze ergibt einen wunderbaren Filmtitel: »Die Aufklärung
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