Achtung BABY!
eventuelle Schwangerschaft anzuzeigen?«
»Nein, das hilft auch nichts. Ich glaube, es wäre besser, Sie könnten mir Ihren Mann als Samenspender zur Verfügung stellen.«
Ich liebe offenen Schlagabtausch. Wir hatten uns an diese surrealen Unterhaltungen gewöhnt, aber andere Kunden waren dann doch etwas verwundert. Aber ich kam diesmal schnell auf den Punkt: »Bitte helfen Sie nicht mir, sondern meinem Kind. Es zahnt.«
Die Profimutter im Inneren der Apothekerin brach sofort durch: »Osanit hatten Sie schon?«
»Ja.«
»Die nächste Stufe wäre Dentinox. Das ist ein Gel aus der Tube. Das reibt man auf die Stellen im Kiefer, wo die Zähne rauskommen.«
»Her damit.«
Für mich hörte sich dieses Mittel nicht so zuverlässig wie Osanit an. Man schmiert diese Dentalpaste auf die Kauleiste? Ich stellte mir das so vor, als ob jemand auf einem frischen Bandscheibenvorfall eine Druckmassage macht. Irgendwann später hilft es etwas, aber im Moment verstößt es gegen die Genfer Konvention. Was das Waterboarding bei Gefangenen, ist das Kieferreibing bei Zahnenden. Ich muss zugeben: Ich brachte das nicht übers Herz, das Einmassieren hat meine Frau übernommen. Dentinox half wirklich. Und nach zwei Wochen auf der stürmischen See um das Kap der guten Hoffnung rief plötzlich der Maat im Ausguck: »Zahn in Sicht!«
So muss sich Christopher Kolumbus gefühlt haben. Es ist geschafft!
»Michl, komm her, ich kann die beiden Zähnchen unten spüren!«
»Sie sind bald da, hurraaaaa!«
Die ersten Zähne waren da – war meine Tochter jetzt kein Baby mehr? Da ich ja vorher Angst hatte, dass sie das süße zahnlose Lächeln verliert, wurde ich nun durch ein Zweizahnlächeln entschädigt.
»Das ist ja noch süßer als vorher!«
Als dann in der nächsten mehrwöchigen Werwolfphase im November auch noch die zwei oberen Vorderzähne das Licht der Mundhöhle erblickten, änderte sich einiges. Unsere Tochter führte ab da ein ganz anderes Leben. Ihr Lieblingsnahrungsmittel wurde Brot. Brot in allen Arten und Formen. Und das Wichtigste: Brezeln. Was haben Menschen früher vor der Erfindung der Brezel gemacht? Lilly perfektionierte in den nächstenWochen das Nagen mit vier Zähnen. Und wir warteten darauf, dass auch bald die anderen Zahnkollegen hallo sagen würden. Und wir warteten … und wir warteten … Wie, vier Zähne und dann ist Schluss? Es ist bei allen Kindern verschieden, wie viele Zähne wann rauskommen. Ich dachte mir schon, okay, es wird viel billiger, wenn die Kleine insgesamt nur vier Zähne kriegen würde. Altes Brot und Pizzarand hat man immer zu Hause. Oder Bananen, wenn es gesund sein soll. Was wir nicht wussten, war, dass unsere Tochter ein ganz spezielles Timing für Veränderungen hat. Die nächste Werwolfzeit begann pünktlich, als wir kurz nach ihrem ersten Geburtstag zwei Wochen nach Mauritius in den Urlaub geflogen sind. Gut, sie gab uns noch eine Nacht zum Ausschlafen nach dem langen Flug – dann war Vollmond angesagt. Bei den Geräuschen hatte ich schon ab und zu das Gefühl, dass Kinder irgend so einen heidnischen Zahngott anheulen. Aber diesmal hatten wir noch professioneller vorgesorgt. Wir hatten nachgeforscht, ob es nicht noch weitere Mittel gibt, die bei Zahnen helfen. Unsere Kinderostheopatin empfahl Escatitonia. Das Wort alleine erweckte in mir keine Begeisterungsstürme. Hörte sich erst auch nicht so vielversprechend an. Escatitonia. Für mich klang das eher wie eine seeuntüchtige Fähre. Aber wir haben uns diese Escatitonia-Tropfen besorgt. Das Triumvirat beim Zahnen lautete jetzt: Kugeln – Gel – Tropfen. In anderen Bereichen hätte das schon etwas Versautes. Die Escatitonia-Tropfen sollen laut Beipackzettel bewirken, dass die Zähne leichter rauskommen. Hallo Werwölfe – euch kann geholfen werden! Und die Tropfen beruhigen zusätzlich. Erstaunlicherweise ist da Alkohol drin. Klar, es ist nicht so ein Prozenthammer wie Klosterfrau Melissengeist, der Notalkohol für alte Jungfern, aber man sollte schon vorsichtig damit umgehen. Ich habe Escatitonia mal selbst probiert, es schmeckt furchtbar, wie Wüäch-Medizin. Leider kein Alkohol mit Geschmack. Lilly liebt es, aber immer wenn sie den Löffel damit abschleckt, zieht sie ihr Gesicht etwas angesäuert zusammen. Beim ersten Mal, als ich ihr die Tropfen gab, guckte sie mich komisch an – sie hatte das kleine gläserne Fläschchen in der Hand,blickte drauf und brabbelte etwas, was sich für mich anhörte wie: »Das ist kein Jim
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