Achtung BABY!
Italien. Das ist ein sehr wichtiges Spiel für uns. Wir legen dich heute in dein Kinderzimmer, da hast du dein eigenes Bett, du liegst da drin, schläfst ein, wir schauen Fußball und morgen früh sehen wir uns dann wieder.«
Ich brachte sie rüber, legte sie in ihr Bett – und jetzt passt auf, es hat funktioniert! Sie schlief durch bis sieben Uhr. Seit dem Spiel Niederlande – Italien schläft sie in ihrem Bett, in ihrem Zimmer. Wahrscheinlich denkt die sich: »Mein Gott, die schauen jeden Tag Fußball, das ist ja der Wahnsinn.«
Am 16. Juni guckten wir am Abend das Spiel Deutschland gegen Österreich. Es war ein Grottenkick. Am nächsten Morgen schlief Lilly bis 8.45 Uhr durch. Das war ihr Alltime-Rekord. Ob das Spiel dazu beigetragen hat, kann ich nicht beweisen. In den nächsten Wochen schlief Lilly brav durch. Trotzdem wachte ich nachts oft auf: Bei jedem kleinen Knackser vom Babyfon bin ich hochgeschreckt. Kchrrchrr … »Huuh, Lilly ist wach!!!?«
Nein, sie hatte sich in ihrem Bettchen nur umgedreht. Am Anfang stellt man so ein Babyfon ja auf Hypersensibilität. Mit der Folge, dass kein Geräusch im Babyzimmer für die Sendeanlage zu leise ist. Sie knackste schon los, wenn eine Ameise stolperte. Auf dem Teppich! Die Empfindlichkeit stellt man dann in den folgenden Wochen sukzessive immer niedriger. Heute habe ich nur noch ein Problem mit den Krähen: Wir haben zwei Krähen in unserem Garten, und wenn die morgens krächzen, klingt das so ein bisschen wie Lillys Schreien im Babyfon. Irgendwann war es dann logischerweise auch so weit, dass Lilly ganz aus unserem Schlafzimmer auszog. Ende Juli haben wir auch noch die Wickelkommode abgebaut und in Lillys Zimmer wieder aufgebaut. (Der aufmerksame Leser ahnt: Ich hatte professionelle Hilfe.) Die Wickelkommode, ein Relikt aus einer anderen Zeit. Eine oft dunkle Zeit, an die sich keiner gern erinnern wollte. Eine Zeit der großen Säuberungsaktionen und kurzen Prozesse. Am selben Tag saß Lilly zum ersten Mal alleine in ihrem Tripp-Trapp-Stuhl am Tisch. Ich dachte mir, jetzt wird sie erwachsen, buhuhuhuhuhu. Ein paar Tage später machte sie auf dem Boden »den Flieger«! Dabei lag sie auf dem Bauch und hob alle viere von sich gestreckt hoch. Hatte ein bisschen was von einem Fallschirmspringer mit Höhenangst. Ich erinnerte mich daran, wie ich mit ihr im Fliegergriff früher (ja, so empfand ich das) durch das Haus jettete. Jetzt konnte sie alleine Flieger machen.
Eines will ich hier noch klarstellen: Wenn Gudrun und ich in dieser Zeit alleine gewesen wären, wir hätten die ersten Monate nicht überlebt. Schon früh haben wir uns nach einer geeigneten Babysitterin umgeguckt. In Deutschland wird dir dabei oft einschlechtes Gewissen eingeredet, weil man sein Kind abgibt … bla bla bla … Ist es eigentlich Zufall, dass es das Wort »Rabeneltern« nur im deutschen Wortschatz gibt? Der Rest der Welt beschäftigt sich konstruktiv mit Entlastung von Eltern und Familien, und wir in Deutschland führen große ideologische Grundsatz- und Gewissensdiskussionen, ob Tagesmamas oder Kinderhorte von Übel sind. Es war ein großes Glück, dass wir für die ersten 1 ½ Jahre eine Nanny gefunden haben. Barbara war Lilly eine gute Freundin und Erzieherin. Lilly hatte nie das Gefühl, sie wird abgeschoben, sondern genoss das Zusammensein mit einer zusätzlichen Bezugsperson. Ich habe mal mit Josef Hader über die Anfangsmühen bei Babys gesprochen, und der hat mich gefragt: »Habt’s a dritte Person?«
»Wie, dritte Person?«
»Jemand, der euch entlastet?«
»Ja.«
»Gut, des erspart euch a teure Scheidung.«
Ob es so weit gekommen wäre, weiß ich nicht, aber ich erinnere mich noch an den 1. 3. 2008, den Tag, an dem Gudrun und ich zum ersten Mal aus unserem Elternloch rauskrochen und als Pärchen ins Kino gegangen sind. Es war wunderbar, wir fühlten uns ein bisschen wie frisch verliebte Teenager. Wir hatten ein Date. Das Einzige, was etwas störte, war die Nabelschnur, die Mama selbst bis in den Kinosaal zog. »Michl, glaubst du, wir haben hier Handy-Empfang?«
»Nein, und das ist jetzt für die nächsten 90 Minuten gut so.«
Besonders als Lilly mobiler und bewusster wurde, kamen meine Eltern als Oma und Opa noch mehr ins Spiel. Lilly freut sich immer, wenn sie kommen – und Oma und Opa flippen völlig aus. Ich habe die beiden noch nie so aufgekratzt und kindisch gesehen. Es ist schön, das zu beobachten. Manchmal aber habe ich das Gefühl, dass nicht meine Eltern auf
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