Achtung Kurven
teilzunehmen, mußte die Prüfung eben um acht Tage verschoben werden.
»Mein Gott«, seufzte sie, »wenn es doch erst Samstag wäre!«
Herold tröstete sie damit, daß der gerissene Justizrat ihren Mann schon herauspauken werde.
»Ich weiß nicht, ob mit Gerissenheit allein viel auszurichten ist....«
»Durch die Prüfung dürfen Sie mir jedenfalls zum zweitenmal nicht fallen, Frau Zauner!«
»Ich kann ja inzwischen noch zwei oder drei Fahrstunden nehmen...«
»Sparen Sie sich das Geld, Sie können fahren, Sie müssen nur für die Prüfungs-Viertelstunde die Nerven behalten. Aber schlucken Sie mir um Himmels willen keine Beruhigungstabletten, damit habe ich schon die bösesten Reinfälle erlebt.«
Heinz Herold kam mit Verspätung an den Stammtisch. Es gab Rindsrouladen, die er schon als Kind nicht ausstehen konnte. Die Gruppe am anderen Ende der Tafel, wo Apotheker Feurich präsidierte, zeigte leichte Ermüdungserscheinungen, denn der alte Herr strapazierte die Köpfe — angeregt durch den Flug eines bemannten amerikanischen Raumschiffes — mit Problemen, mit denen schon Einstein nicht ganz fertig geworden war. Es ging um Raum und Zeit und um die Frage, ob eine mit Lichtgeschwindigkeit zum Sirius rasende Weltraumschiff-Besatzung, vom Sirius zurückkehrend, nicht älter geworden ist, auf der Erde aber eine um sechzehn Jahre gealterte Menschheit vorfinden würde. Für die Stadtbeamten war das Thema zu hoch, und daher versuchte der alte Apotheker, die technisch besser bewanderten Herren vom anderen Tischende ins Gespräch zu ziehen, aber sowohl Rothe als auch Herold zogen es vor, zu verschwinden und die Verdauungszigarette im Wagen zu rauchen.
Es wurde eine kurze Zigarettenpause, denn Herold entdeckte Fräulein Schütz, die mit einer blauen Leinentasche in der Hand auf hohen Absätzen über die Straße stöckelte. Sie kam aus einem hellgrauen 1,7-Liter-Ford, an dessen Steuer eine junge Dame in ihrem Alter saß. Heinz Herold nahm den letzten Zug und warf den Rest seiner Zigarette auf die Straße.
»Guten Tag, Herr Herold!« rief ihm Fräulein Schütz entgegen, »bin ich etwa zu früh dran?«
»Nicht zu früh«, sagte er mit einem mißbilligenden Blick auf ihre Acht-Zentimeter-Absätze, »aber zu hoch.«
Sie schwenkte ihm die blaue Tasche entgegen: »Da sind die flachen drin«, und während er ihr die Tür öffnete, vertauschte sie die Pumps gegen einen flachen Wildlederschuh. Dann nahm sie am Steuer Platz und fuhr an, ein wenig ruckend, aber der Wagen lief, und sie vergaß auch den Blick in den Rückspiegel nicht. Vor einer Ampel mußte sie stoppen. Als sie wieder anfuhr, ließ sie die Kupplung zu rasch aus. Der VW machte einen kurzen Satz, und der Motor starb mit einem gequälten Seufzer. Hinter ihr begann ein Hupkonzert. Herold dachte nicht daran, ihr zu helfen.
»Motor anlassen, Handbremse lösen, Kupplung durchtreten, ersten Gang einlegen, Kupplung weich lösen und Gas geben«, sagte er ruhig. Er sah sie von der Seite an und hoffte, auf ihrer hübschen kleinen Nase Schweißperlen zu entdecken. Aber ihre Haut war trocken. Und es gelang ihr beim zweiten Anlauf, in Fahrt zu kommen.
»Schalten Sie den rechten Blinker ein, Fräulein Schütz, und biegen Sie in die erste Querstraße rechts ein!«
Sie drückte den Blinkerhebel hoch, bremste leicht ab und zog den Wagen vorsichtig in die scharfe Kurve. Aber im gleichen Moment, in dem sie das Tempo beschleunigen wollte, um die ruhige Nebenstraße in flotterer Gangart zu durchfahren, trat Heinz Herold auf die Bremse.
»Was ist nun schon wieder los?« fragte sie.
»Sie können natürlich weiterfahren, Fräulein Schütz, nur die Polizei sieht es nicht gern. Dort oben rechts befindet sich nämlich ein rundes rotes Schild mit einem weißen Querbalken.«
»Hören Sie schon auf«, sagte sie böse, »natürlich weiß ich, was das Schild zu bedeuten hat. Aber finden Sie es fair, mich in solch eine Falle stolpern zu lassen?«
»Ich bin genauso fair wie Herr Schindler, der Sie bei der Prüfung in viele solcher Fallen hineinlocken wird, wenn Sie das Glück haben sollten, die Prüfung bei ihm abzulegen. Wer bei ihm durchkommt, kann mit ruhigem Gewissen auf die Menschheit losgelassen werden.«
»Wie witzig Sie sind«, murmelte sie. »Und was nun?«
»Hier gibt es nicht einmal die berühmten zwei Möglichkeiten«, grinste er. »Ihnen wird nichts anderes übrigbleiben, als vorsichtig zurückzustoßen und sich wieder in den Hauptverkehr einzufädeln. Denken Sie aber bei
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