Achtung Kurven
so gehoben, daß etwas von ihm ausging, was Fräulein Schütz so anziehend fand, daß sie den Wunsch verspürte, diesen netten jungen Mann näher kennenzulernen.
Während sie das Benzin aus der Zapfsäule rinnen ließ, stand er neben ihr, sein Blick wanderte über die Hauptstraße zu der Barockkirche mit der schiefen Zwiebelkuppel hin, zu den beiden alten Linden neben der Tankstelle, die gerade blühten und in denen die Bienen summten, und über den Garten hinweg zu dem spitzgiebeligen Haus, in dem sie mit ihrer Mutter wohnte.
»Richtig hübsch haben Sie es hier draußen, Fräulein Tankwart!« hatte er zu ihr gesagt.
»Was Sie an dem Kaff hübsch finden, möchte ich gern wissen.«
»Und ich möchte wissen, was euch alle in die Stadt zieht? Zugegeben, alles ist ein bißchen bunter und ein bißchen größer, aber persönlich sind Sie in der Stadt doch das gleiche Würstchen, das Sie hier sind. Vielleicht sogar ein noch winzigeres. Ich würde jedenfalls gern mit Ihnen tauschen. Nun, was sagen Sie zu meinem Angebot?«
Sie deutete mit dem Kinn auf das blau-rote Fahrschulschild über der vorderen Stoßstange seines Wagens: »Sind Sie Fahrlehrer oder gehört Ihnen die Firma Bauersfeld?«
»Wenn sie mir gehören würde, hätte ich Ihnen das Tauschangebot nicht gemacht.«
Er hatte 11,60 DM zu bezahlen, winkte ab, als sie mit dem Schwamm die Windschutzscheibe säubern wollte, nickte ihr einen Abschiedsgruß zu und fuhr davon. Das war alles. Aber das Tauschangebot ging ihr nicht aus dem Kopf. Sie hätte gar zu gern gewußt, ob es bei ihm nur eine Augenblickslaune gewesen war, oder ob er das Leben in dem kleinen Marktfleckchen Kirst tatsächlich der Stadt vorgezogen hätte. Aber wie sollte man das herausfinden? Tagelang überlegte sie, wie sie es bewerkstelligen könnte, ihm wieder zu begegnen. Es war nicht nur eine rasche Neigung für den netten jungen Mann, die Marianne Schütz diese Wiederbegegnung wünschen ließ, andere Interessen spielten mit hinein.
Zur Schützschen Tankstelle gehörte eine Reparaturwerkstatt, die im vergangenen Jahr stillgelegt werden mußte. Der einzige Geselle wanderte in die Stadt ab, und ein Nachfolger für ihn war nicht zu finden. Der empfindlichere Verlust aber war, daß mit dem Tode des Vaters auch die Fahrschule Schütz ihren Betrieb einstellen mußte. Und diese Fahrschule hatte die Butter und auch die Wurst zu dem Brot bedeutet, das die Tankstelle abwarf. So lag der Gedanke, die Fahrschule neu zu eröffnen, nicht fern. Vor zwei Jahren hatte Marianne sich dazu entschlossen, eine Fahrlehrerlizenz zu erwerben, war zu diesem Zweck für acht Monate nach Frankfurt gegangen, und es war jetzt ein halbes Jahr her, daß ihr Diplom neben der Lizenz des Vaters in der guten Stube hing.
Die Rechnung war nicht schlecht. Daß sie nicht aufging, lag daran, daß die erwarteten Kursteilnehmer ausblieben Die älteren Leute in Kirst wollten sich nicht von einem Mädel unterrichten lassen, das sie schon als kleines Kind kannten, und die männliche Jugend genierte es, sich vor einem Mädel womöglich zu blamieren. Zu den wenigen Fahrschülern, die Marianne in diesem vergangenen halben Jahr unterrichtet hatte, gehörte ihre Freundin Tilly Sauter , und der konnte sie für den Kurs nicht mehr als die reinen Unkosten für sechzehn Fahrstunden berechnen. Es war also eine aufgelegte Pleite, und dagegen mußte etwas unternommen werden.
Die erste, die den Gedanken laut aussprach, daß ein Mann ins Haus müßte, wenn die kleine Familien-Industrie wieder Auftrieb bekommen sollte, war Frau Juliane Schütz, Mariannes Mutter.
»Aber bitte, Mama, dem steht nichts im Wege, wenn du dich munter genug fühlst. Und es fehlt dir ja auch nicht an Interessenten...«
Die Erwähnung der Interessenten war eine kleine Frechheit. Tatsächlich hatten sich Frau Schütz im letzten Jahr zwei Freier mit ernsthaften Absichten genähert. Der Nachbar August Klingspor , seit drei Jahren Witwer, der mit schöner Offenheit davon sprach, daß es doch nur von Vorteil wäre, die beiden Grundstücke zu vereinigen, arrondiert zu verkaufen, vom Erlös eine Stadtwohnung zu nehmen und den Rest des Lebens aufs Schöppchentrinken und auf das Verzehren herzhafter Ripperl zu verwenden. Und Schmiedemeister Triebusch , auch ein Witwer, dem aber weniger am Grundstück als vielmehr daran lag, für seine neun Kinder und für die ziemlich verlotterte Wirtschaft eine billige Haushälterin zu bekommen.
»Nein, mein Herzchen«, erklärte Frau Schütz ihrer
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