Achtung Kurven
Tochter, »damit kriegst du mich nicht dran!«
Es war aber möglich, daß sie ihre Marianne dranzukriegen versuchte. Denn eines Tages las Marianne im Generalanzeiger eine Heiratsanzeige, deren Text ihr das Blut in den Kopf steigen ließ. Dort stand nämlich unter Herzenswunsch:
Mutter sucht für ihre 25jährige hübsche Tochter passenden Ehegefährten, der in der Lage ist, eine mit einer Autoreparaturwerkstatt verbundene Fahrschule in Kleinstadt zu führen.
Frau Schütz stritt es energisch ab, diese Anzeige verfaßt und aufgegeben zu haben. Marianne traute ihr trotzdem nicht und paßte scharf auf, aber sie konnte weder entdecken, daß ihre Mutter in die Stadt fuhr, um die Chiffre-Angebote abzuholen, noch daß der Postbote Briefe ins Haus trug, die von der Anzeigenabteilung der Zeitung kamen. Tatsächlich hatte Frau Schütz die Anzeige aufgegeben. Wenn sie keine einzige Antwort erhielt, so lag es daran, daß heiratslustige Mechaniker mit Fahrlehrerlizenz ausgesprochene Mangelware zu sein schienen. Oder es war die Kleinstadt, die die Kandidaten abschreckte.
Der Gedanke, durch eine Anzeige unter die Haube gebracht zu werden, empörte Marianne. Dabei sah sie selber ein, daß irgend etwas geschehen mußte, wenn sie die mit erheblichen Kosten erworbene Lizenz und die mit noch größeren Mitteln neueröffnete Fahrschule nicht aufgeben wollte.
Auf den Gedanken, sich in der Fahrschule Bauersfeld als Schülerin anzumelden, war sie übrigens gar nicht einmal selbst gekommen. Dieser pfiffige Einfall stammte von ihrer Freundin Tilly Sauter , der sie nach dem Besuch von Heinz Herold an der Tankstelle erzählt hatte, daß irgend etwas an diesem jungen Mann es ihr angetan habe.
»Nimm doch bei ihm Fahrstunden«, hatte Tilly gesagt.
»Du hast wohl nicht alle Tassen im Schrank«, hatte Marianne entrüstet erwidert. Aber es dauerte nicht lange, daß sie an dem Einfall Geschmack zu finden begann.
»Man kann sich natürlich auch billiger kennenlernen«, gab Tilly zu, »aber wenn es klappt, hast du immer noch günstig eingekauft — einen Mann und einen Fahrlehrer dazu!«
Marianne schluckte ein bißchen: »Die Anzahlung könnte ich ja riskieren«, meinte sie schließlich, »aber ich will es mir noch ein paar Tage überlegen.«
Frau Bauersfeld, die sonst morgens um sieben Uhr im Büro erschien und, wenn Rothe und Herold um halb acht anrückten, die Fahrpläne für den Tag verteilte, hatte sich weder morgens noch mittags sehen lassen, und Heinz Herold war darüber froh, denn der Gedanke an die Begegnung ließ seine Hände feucht werden. Was sich in der vergangenen Nacht abgespielt hatte, erschien ihm heute wie ein peinigender Traum, den er sich nicht noch einmal wünschte. Dabei spürte er, wenn er an ihre Küsse und an ihren festen, schmiegsamen Körper dachte, eine Schwäche in den Knien — aber gleichzeitig auch ein Gefühl der Furcht, der vitalen Anziehungskraft dieser lebenshungrigen Frau zu verfallen und sich die Flügel zu verbrennen. Daß sie heute nicht im Büro erschienen war, ließ ihn hoffen, daß ihr das flüchtige und gefährliche Abenteuer genauso peinlich war wie ihm und daß sie einen zeitlichen Abstand schaffen wollte.
Mit seinem Tagespensum war er um sieben Uhr abends fertig. Zwei Nachtfahrten zwischen neun und zehn Uhr standen noch auf dem Programm. Als er den Wagen vor der Fahrschule abstellte, kam Rothe gerade aus dem Haus.
»Eine schäbige Stunde lang Pause«, sagte er schlechtgelaunt, »um acht geht der Zirkus für mich wieder los. Was kommt nach Gelb, Herr Fischer? Und woran erkennen Sie einen unbeschrankten Bahnübergang, Fräulein Kroll ? Mir hängt der Quatsch allmählich zum Halse heraus.«
»Wem erzählen Sie das?«
»Gehen Sie schon ‘rein, Herold, unsere Lollo wird sonst ungeduldig. Der Dicke liegt oben und scheint saugrantig zu sein.«
»Kein Wunder bei seinem Zustand. Wie geht es ihm sonst? Haben Sie etwas gehört?«
»Der Doktor hat ihm die Schoppen und die Zigaretten entzogen, das Schlimmste was ihm passieren konnte.«
Sie verabschiedeten sich, und Herold ging ins Haus.
»Endlich!« flüsterte Frau Bauersfeld und zog ihn an der Hand ins Büro hinauf. Sie warf einen Blick zur Decke: »Er liegt oben und klagt über Atemnot. Den ganzen Tag mußte ich bei ihm bleiben. Jede Minute verlangte er etwas anderes, Tabletten und Tee, und neue Kompressen, und dann war ihm das Kopfkissen zu weich und im nächsten Moment zu hart... Ach, Heinz!« Sie drängte sich ihm entgegen. Seine schlimmsten
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